Bisher war diese Reise so gut und übertraf unsere Erwartungen. Es war kaum zu glauben, dass schon beim ersten Projekt mit dieser Kooperative „Organic Wayanad“ alles gut funktioniert. Perfekte Strukturen, einducksvolles Engagement der einzelnen Bauern, alle total überzeugt von biologischem Anbau und Qualität.
Da war irgendwie klar dass jetzt noch was dazwischenkam:
ein Tag voller neuer Höhepunkte! So großartig kann Robusta sein!
Heute: Elephanten, Trinken aus indischen Flüssen, Dinge die mich noch überraschen können und die Maschinen laufen.
Es ging bereits um 6 Uhr heute in der Frühe los, der Nationalpark Wayanad öffnet nur zwischen 8 und 10 Uhr seine Pforten und das auch nur für wenige Menschen. Unterwegs nahmen wir noch ein üppiges Frühstück in einer schönen familiären Streetfoodbude zu uns (ja, wir werden mutiger nachdem immer noch niemand von uns auch nur etwas krank wurde....). Es gab verschiedene Fladenbrote, Tee, 3 verschiedene Curries, Kokospaste mit Gewürzen und dazu heißes Wasser. Es macht immer ein schlechtes Gewissen hier gut essen zu gehen. Die Rechnung für uns 6 Personen betrug umgerechnet 2,50 Euro. Wieviel Trinkgeld ist dann angemessen? Gar nicht leicht so eine Entscheidung am frühen Morgen...
Bald darauf nach einer Fahrt durch immer dichteren Wald kamen wir an den Eingang zum Park und stiegen in einen Jeep um. Auf einer 20 km langen Fahrt durch den nun echten Dschungel, u.a. mit den ältesten und größten Teakbäumen Indiens, sahen wir Gauren, viele Elefanten, verschiedene Rehe, Riesenbüffel, Riesenhörnchen, Schildkröten und viele schöne Vögel (Kingfisher, Seidenschwänze, Hanging Parrots...)
Nach dieser touristischen Einlage ging es weiter ins Taldorf Thirunally. Hier ist eine der ältesten (5000 Jahre alt) und bedeutendsten hinduistischen Tempelanlagen Indiens mit einer kilometer langen funktionierenden Wasserversorgungsleitung aus dem Jahr 500. Sie liegt in einem paradiesischem Talkessel unter 2500 m hohen Gipfeln, inmitten üppigster Vegetation an den Hängen der Berge. Von dem Tempel, den wir später auch besichtigen durften, hat man eine unfassbare Rundumsicht auf die umgebenden Berge und den Urwald der sich an den meisten Hängen bis auf ca. 2000 m erstreckt. Sehr offensichtlich ist dies ein wirklich passender Ort für eine bedeutende heilige Stätte.
Der Torwächter dieser Stätte war aber das eigentliche Ziel unserer Fahrt. Er ist ein weiterer besonders interessanter Kaffeebauer aus der Organisation „Organic Wayanad“. Illath Villas Familie baut hier seit 1960 biologisch-dynamisch Robusta Kaffee an. Seine Farm mit bis zu 50 Jahre alten Büschen liegt am Fuss der Hänge, hat also perfekt fruchtbaren Boden durch die immer wieder runterkommenden Nährstoffe des Waldhanges, er baut neben Kaffee vor allem Pfeffer und Reis an.
Überrascht hat er uns mit gleich vielen Dingen:
seine Pflanzen sind extrem gut gepflegt und der Hanggarten so aufwendig terrassiert wie ich es sonst nur bei besonders engagierten Arabica-Bauern gesehen habe
er sieht aus wie ein weiser alter Mann (weise ist er zweifellos auch), spricht aber perfekt Englisch, hat eine modernere Nikon Digitalspiegelreflex als Jörg (also die Neueste...), fragte
nachdem er seine Philosophie erläutert hatte als erstes nach unsere Facebook-Adressen
er hat ein 4 Monate altes Brahman-Kalb mit welchem er kommuniziert (es gehorcht tatsächlich wie ein gut dressierter Hund), gibt Pfötchen (ähh, wie heißt das nochmal bei Kühen?) und Küsschen auf Befehl und springt über ausgestreckte Beine auf Befehl usw....
Illath ist oberster Waldwächter der Region mit weitreichenden Befugnissen (gleich hinter seinem Grundstück fängt der Schutzwald an) und ist sehr engagiert im Tigerschutz (obwohl diese Kätzchen ihm regelmäßig Brahman-Rinder reißen). Er ist ein ziemlich weltoffener und weltgewandeter Hinduist („Organic Wayanad“ ist multireligiös, die meisten Mitglieder sind Katholiken). Er ist so überzeugt von seinen Ideen von Gerechtigkeit, friedlichem Miteinander, Verantwortung für die Erde und zukünftige Generationen, dass es eine Freude ist ihm zuzuhören. Wir haben daher auch wirklich gutes Interviewvideo mit ihm gedreht. Ihr werdet ihn also bald kennenlernen.
Durch sein Grundstück fließt ein Fluss. Ich habe spontan aus ihm getrunken.
Hättet Ihr es für möglich gehalten aus einen indischen Fluss zu trinken? Ich nicht.
Aber er war so rein und lieblich, er entsprang ganz offensichtlich direkt dem Paradies und floss auf seinem Weg bis zu Illaths Grundstück sicher auch nur durch dieses. Und das Paradies ist rein, logisch, oder?
Dieser paradiesiche Zustand und diese Ruhe hier haben nun auch auf mich abgefärbt und mich verändert. Zumindest erstmal meine Meinung zu Canephora. Meine neue Philosophie lautet also: „Wer was gegen Robusta sagt kriegt auf die Fresse!“.
Dementsprechend motiviert fuhren wir weiter. Wieder machten wir Stop an einer Streetfoodbude, diesmal nochmals deutlich volkstümlicher und rustikaler. Es gab keine Teller (Besteck gibt es hier ja sowieso nicht, es wird mit der rechten Hand gegessen), sondern „nur“ Bananenblätter. Auf diese Blätter wird dann für alle Personen direkt aus Töpfe und Behältern serviert. Es gab wieder verschiedene Curries und Pasten zu gekochtem Reis, dazu gebackenen Trockenfisch und Kokos-Gewürzgranulat. Alles in hervorragender Qualität und sehr freundlich serviert. 2,50 Euro für 6 Personen inklusive Getränke....wie das mit dem Trinkgeld geht hatten wir inzwischen erfragt.
Weiter durch Bergwälder auf dem Weg zurück. Und ein weiterer Höhepunkt lag noch vor uns. Der Besuch der Vorsitzenden von „Organic Wayanad“. Amrutha Liz Mathew istmittlerweile pensionierte Lehrerin und unterrichtet mittlerweile an einer Erwachsenenschule, daneben baut sie Kaffee an (und Pfeffer, Kardamom, Kakao, Bananen, Ingwer, all das Zeug) und ist wie gesagt Vorsitzende. Als „Rentnerin“ halt. Irgendwie könnt Ihr Euch wahrscheinlich nun auch schon vorstellen, WIEVIEL POWER diese Frau hat. Es ist von der ersten Sekunde an beeindruckend. Wir trafen Amrutha in Begleitung ihrer Nichte, welche wie eine Tochter für sie zu sein scheint. Und diese Tochter ist ebenso voller Energie und Selbstbewusstsein. Sie könnten beide Schwestern und Kinder von Phoolan Devi (kennt Ihr nicht? googlen!) sein.....
Es wurde langsam spät und so mussten wir zurück zu Vanamoolika. Die Maschinen waren endlich fertig und konnten in Betrieb genommen werden. Und auch das klappte. Aus den frisch angelieferten roten Kirschen wurde binnen kurzer Zeit gewaschenerzur Trocknung bereiter Canephora S.274.
Was für ein Tag.
Morgen geht es weiter mit frühem Aufstehen und Kaffee Pulpen und Waschen bevor wir uns mittags auf den Rückweg Richtung Hamburg machen.