Ein etwas müder Start in einen der besten Tage meiner bisher 15 Jahre als Kaffeeimporteur. Nach zwei Stunden gesundem Schlaf wachte ich um 4:30 Uhr auf. Der Tag sollte mich für den Schlafmangel aber reich entschädigen.
Die Messe "Bracamoros" ist ein weltweit bisher leider sehr selten verfolgter Ansatz der exakt unseren Ideen von Quijote Kaffee entspricht: Die beiden regionalen Kooperativen APECAP (aus Palanda) und ACRIM (aus dem 65 km südlich gelegenen Zumba) organisieren diese "Messe" völlig eigentständig. Es ist eine selbstorganiserte Messe von Kaffeekooperativen für Kaffeekooperativen und für Bio-Bauern, die andere Produkte aus der Region produzieren und für die interessierte nationale und internationale Kaffeewelt. Die Messe findet dieses Jahr zum 6. Mal statt, immer abwechselnd in Zumba und Palanda. Die Messe ist in jeder Beziehung großartig.
Außer Vertretern fast jeder Kaffeekooperative aus allen Anbauregionen Ecuadors nutzen auch die Bevölkerung und die Bauern der Region die Veranstaltung als Ort für Austausch. Alle landwirtschaftlichen Produkte der Region werden ausgestellt und in mehr als 30 Wettbewerben u.a. das größte Meerschweinchen (hier zum Verzehr gezüchtet), der schönste Hahn, die größte Yuccawurzel usw. prämiert. Sehr hoch prämiert mit Preisen im Wert von über 2000 Dollar ist u.a. der Wettbewerb der am nachhaltigsten produzieren Biofinca der Region.
Die gesamte Region Chinchhipe-Mayo hier ist ein großes Testgebiet für "saubere Landwirtschaft". Dementsprechend sind tausende Menschen schon frühmorgens vor Ort. Spektakulär ist es zum Beispiel, dass sich die neugegründete Baristagilde Ecuadors zum Beispiel diese Messe als Treffpunkt ihres konstituierenden Treffens ausgesucht hat. Aus allen Landesteilen kommen Baristi des Landes zusammen, die zum Teil 36 stündige Busanreisen auf sich nehmen, um bei dieser Messe / Volksfest dabei zu sein. Dies ist sicher ein guter Beleg dafür, welchen Stellenwert diese Veranstaltung in ihrem sechsten Jahr erreicht hat. Aus den USA sind Piero von Café Imports, Felipe von Cooperative Coffees und Vertreter von 5 Direkt Trade Röstereien angereist. Dies ist auch für uns großartig. Erfahrungsaustausch mit teilweise ähnlich wie wir arbeiten Röstereien aus Nordamerika in einem Andendorf im hintersten Winkel Ecuadors.
Der Tag beginnt mit einem Cupping der 10 höchstbewerteten Kaffees des nationalen Wettbewerbs um die besten Produzenten die in Kleinbäuerlichen Kooperativen organisiert sind. Obwohl sie noch sehr frisch sind und die Ernte in den höchsten Lagen (verzögert dieses Jahr durch das Wetterphänomen "El Niño") erst kürzlich begonnen hat, zeigen diese Kaffees den Fortschritt der Produzenten hier auf spektakuläre Weise.
Jeder der 10 Kaffees wird von mir mit über 86 Punkten bewertet und ist damit besser als der Gewinner der nationalen "Taza Dorada" vor 5 Jahren. Der von mir mit 91 und von allen anderen mit über 90 Punkten bewertete Gewinnerkaffee ist spektakulär gut. Er hat Alles: klare weinige Säure wie ein Kenyaner, tiefe Kakaonoten, Beerenfrüchte, Rosen, süssen Apfel, Karamell, Zitrusaromen, super intensive Teenoten von Schwarztee, eine guten Süsse, ein likörartiges Mundgefühl. Er ist leider der einzige der 10 Top Kaffees, welcher nicht biologisch angebaut wurde (er kommt aus dem Norden Ecuadors aus der Provinz Pichincha) und kommt daher für uns nicht infrage, zeigt aber was hier in Zukunft möglich sein wird. Und: es ist ein Typica Mejorada, die Varietät mit höchsten Erträgen, angebaut auf nur 1250 Meter Höhe.
Wir werden später u.a. ein Lot ersteigern, welches uns neben seiner sensorischen Qualität (die werdet Ihr selber schmecken können) auch aus anderen Gründen begeistert.
Die öffentliche Versteigerung auf dem Dorfplatz als absoluter Höhepunkt der Messe (es gab an die tausend Zuschauer, viele Gewinner weinten vor Glück, es gab riesigen Applaus, die Wertschätzung der Arbeit der anwesenden Bauern war absolut zu spüren) war die erste öffentliche Spezialitätenkaffeeversteigerung überhaupt in der Geschichte Ecuadors.
Der von uns ersteigerte Kaffee jedenfalls ist ein Biokaffee eines Mitgliedes der hiesigen Kooperative und stammt vom erst 19 jährigen Mitglied der Jugendorgani-sation der APECAP Carlos Napoleon Mayo.
Er baut erst seit zwei Jahren eigenen Kaffee an und sieht seine Zukunft ganz klar hier im Dorf, genauso wie über 60 weitere Jugenliche Kaffeebauern (teilweise erst 15 Jahre alt) der Region die sich in Jugendorganisationen zusammengeschlossen haben.
Ich kenne viele Kooperativen mit einem Durchschnittsalter der Mitglieder von über 70 Jahren. Hier ist es anders. Wir werden in Hamburg bei Quijote Kaffee und mit Five Roasters besprechen ob wir nicht eine spezielle Serie für Kaffees der Jugendorgani-sation auflegen.
Hier zeigt die APECAP ihre wirkliche Stärke und zurecht riesiges Selbstbewusstsein. Und diese Stärke wird nicht egoistisch genutzt, sondern als Beispiel für die Zukunft. Zum Beispiel wurde den Vertretern aller anwesenden Kooperativen die gesamten Daten aller anwesenden Käufer zur Verfügung gestellt. Alle Kooperativen konnten sich auf der Messe in einer extra dafür vorgesehenen Veranstaltung mit allen Käufern treffen. Es gibt einen absolut offenen Austausch mit anderen Kooperativen und diese Messe ist das perfekte Beispiel für Kooperation in unserer Branche.
Für nächstes Jahr ist es geplant auch Kooperativen aus dem benachbarten Peru einzuladen und einzubinden.
Weiterer richtungsweisender Höhepunkt dieser wirklich in die soziale Realität hier in Ecuador eingebundene Messe war z.B. ein weiterer Wettbewerb für Kaffeebausern: sie mussten ihren Kaffee selber traditionell auf dem Herd rösten, mahlen und traditionell zubereiten. Professionelle Baristi bewerteten dann die Kaffees.
Abends aßen wir zusammen mit allen anderen Käufern und Vertretern der ACRIM und APECAP, danach machten wir uns mit Kollegen der ACRIM auf den fast dreistündigen Weg ins 65 km entfernte Zumba. Dort fielen wir nur noch ins Bett.