Saft: Unser Frühstück besteht aus Obst. Heute Guanabana-Papaya-Mango. Es ist gerade maximal Nebensaison für die meisten Exoten, aber sie schmecken trotzdem sehr geil. Auch ansonsten sollte
heute einer dieser Tage werden, der das Leben als direktimportierender Kaffeeröster sehr schön macht.
Das lag vor allem an den Kolleginnen und Kollegen der Kooperative Waylla Kuri aus Rukullakta. Während Jatari, APECAP und ACRIM sich weiterhin gut weiterentwickeln, machten sie hier im
selbstverwalteten Territorium des "Volkes der Kichwa von Rukullakta" einen von uns nicht für möglich gehaltenen Sprung. Weltklasse Canaphora steht uns ab sofort in grossen Mengen zur Verfügung.
Gleich mehr dazu.
Da unser Termin bei Waylla Kuri erst am frühen Nachmittag starten sollte, hatten wir noch ordentlich Zeit uns intern zu besprechen und telefonisch mit den bisher besuchten Kooperativen weitere Schritte zu konkretisieren.
Matt wird zunächst eine Woche bei Jatari bleiben und dann mit FAPECAFES eine weitere Woche Röstungen analysieren und weitere Kaffees als Kooperationsprojekte unserer Partnerkooperativen für den hiesigen Markt entwickeln. Ausserdem wird er Jugendliche aus den Komitees als Barista schulen.
Zu Mittag assen wir die bisher beste Encebollada mit vielen frischen Kräutern, danach gab es wieder Saft. Maracuja-Grenadilla....Guido Farfan, der Ingenieur der hiesigen Stiftung Maquita, der Jatari und Rukullakta in den vergangenen Jahren technisch betreute, fuhr uns nach Norden zu Rukullakta. Zunächst machten wir halt im Büro der selbstverwalteten Gemeinden um Medardo Porfirio Shiguango Cerda, den neuen Häuptling / Präsidenten kennenzulernen. Die Amtszeit von meinem Freund Augusto Salazar war dieses Jahr zuende gegangen. Der Kuraka wird von der Vollversammlung aller Einwohner des Terretoriums gewählt und ist gleichzeitig Vertretung und oberster Richter. Die 6000 Bewohner des Terretoriums haben sich autonom organisiert um ihre Geschicke und ihr Land ohne Einmischung des weißen Mannes in die eigenen Hände zu nehmen und um das Land gegen Eindringlinge wie Minenkonzerne und Erdölfirmen zu verteidigen. Das Gebiet ist finanziell eines der allerärmsten der Welt. Das durchschnittliche Tageseinkommen liegt bei unter 0,50 Dollar bei einem ecuadorianischen Bruttomindestlohn von 21,70 US$ am Tag.
Nahezu alle Bewohner leben von ihren 1 bis 2 Hektar grossen, biologisch bewirtschafteten Chacras in Subsistenz. Daneben wird kontrolliert gefischt und gejagt. Sehr viele größere Aufgaben werden in Form der Minga erledigt.
Danach ging es zum dieses Jahr in Betrieb genommenen Sammel- und Verarbeitungsstelle in der Nachbargemeinde. Wir trauten unseren Augen nicht als wir dort ankamen. 30 anwesende Mitglieder warteten auf uns in der Bodega, die so sauber und aufgeräumt aussah wie ein gutes Krankenhaus.
220 Säcke getrockneten Robustas in Pergamino lagen auf Plastikpaletten zum Abtransport nach Catamayo für uns bereit. Das geschälte Muster hatte, obwohl es nicht selektiert wurde quasi null Defekte, auch ein auf Holzfeuer pfannengeröstetes Muster, welches uns als Filterkaffee zubereitet wurde war tadellos. Und wir reden hier von "Robusta".
Fünf sehr grosse Trocknungszelte mit automatischer Ventilation enthielten noch exzellent verarbeitete Kaffees. Gerade wurde ein weiteres Zelt fertiggestellt, in welchem besonders gute Lots auf African Beds getrocknet werden. In Zukunft sind hier also Canephora Microlots möglich.... Was das Beste ist: seit einem Jahr und der Fertigstellung der Verarbeitungsanlage gibt es hier keine externen Techniker und Berater mehr.
Die Waylla Kuri macht alles alleine..... Ich habe in meinem Leben ganz selten Arabicas gesehen, die so gut verarbeitet werden wie der Kaffee hier. Neben dem Manager Edwin und dem Präsidenten Augusto arbeiten bis zu 20 weitere Personen mit in der Anlage und helfen bei der Verarbeitung. Der grosse Ecupulper ist perfekt eingestellt und die Fermentation mit Enzymen ist extrem kontrolliert.
Nach einer Vorstellungsrunde und einer kurzen Diskussion über die Zukunft, es gibt hier nun genug Kaffee, um ihn weiteren Roestern anzubieten, wurde uns Essen serviert. Geröstete Chontocuro-Maden mit Palmherzen im Bananenblatt nach Art der Maito auf Feuer gegart.
Die daumengrossen Maden kosten ein wenig Überwindung.....die Palmherzen sind aber ein Traum. Beim Essen schauten uns 35 Kichwas gespannt zu. So mussten wir halt auch die Maden essen.... Nach dem Essen ging es auf zwei Felder / Chacras unserer Wahl. Wir konnten uns bei beiden sowohl von Bioanbau überzeugen als auch die Diversität des Anbaus bestaunen. Kaffee und Kakao sind Cash-crops, für den Eigenbedarf wachsen viele amazonische Früchte, Yuca und Mais, Bohnen und sehr viele Kräuter und Medizinalpflanzen halbwild. Der Boden ist sehr fruchtbar, alte Pflanzen werden einfach abgeschlagen und durch neue ersetzt. Die wichtigste und beste Kaffeevarietät ist hier ein immer weiter verbesserter "Napo Payamino".
Zurück in Tena besuchten wir noch das Büro von Maquita und wir besprachen zukünftige Schritte, insbesondere bezüglich der Vermarktung.
Nach einem weiteren Essen, Tigrillo (gebratene zerbröselte grüne Bananen mit Gemüse, Ei und Käse) ging es in ein alternatives Kulturzentrum in einer alten katholischen Missionsstation. Es gab
dort den Abschlussabend des Crea-Festivals, eines subversiven internationalen No-budget Theaterfestes mit Schauspielern aus 8 Nationen. Das Niveau war erstaunlich, um so gutes und radikales
Theater in Norddeutschland zu sehen muss man in Hamburg ins Kampnagel... Und ein selbstverwaltetes autonomes Kulturzentrum in einer katholischen Kirche in einem ecuadorianischen
Dschungelstädtchen wirkt wie ein Geschenk des Himmels.
Wir assen noch italienische Pizza in der Volksküche des Projektes und gingen glücklich nachhause.