Indien 2018


Wie schon im letzten Jahr startet die Quijote Ursprungsreisesaison mit meinem Besuch bei unseren Partnern von Organic Wayanad im südlichen indischen Bundesstaat Kerala. Von dort beziehen wir hervorragenden, gewaschenen Robusta.

Tag 1 bis 3

Meine Reise im Januar 2017 stand ja zunächst aufgrund des damaligen Wintereinbruchs und diversen Flugverspätungen unter keinem so guten Stern (siehe Link). Und auch dieses Jahr sah es zunächst nicht besser aus. Am Donnerstag und damit pünktlich einen Tag vor meinem Abflug versank Hamburg wieder im Schnee. Glücklicherweise beruhigte sich der Wettergott aber recht schnell wieder, so dass mein British Airways Flieger am Freitag morgen pünktlich und ohne Enteisung um 07:05 Uhr abheben konnte. Dieses Mal ging es allerdings nicht nach Stockholm, sondern nach London Heathrow. Macht zwar geographisch fast genauso wenig Sinn, hatte aber den Vorteil, dass ich diesmal mit derselben Airline weiterfliegen und mein Gepäck direkt nach Dubai durchchecken konnte. Aufgrund der Erfahrungen des Vorjahrs hatte ich den frühen Flug mit mehr Umsteigezeit gebucht und musste nun bis zum Anschlussflug gut fünf Stunden totschlagen. Für einen Abstecher in die Stadt war die Zeit aber etwas zu knapp, so dass nur der Weg in den Huxleys Pub im Terminal blieb. Das Full English Breakfast war zwar ok, aber das habe ich auf der Insel auch schon deutlich besser und reichhaltiger gehabt. Da die Getränkeauswahl auch nicht so richtig berauschend war, wurde die Location nochmal gewechselt und ich zog in den gerade neu eröffneten "Crown & Rivers" Pub um. Dieser gehört zu JD Wetherspoon, einer landesweiten Kette, deren Pubs in der Regel sehr zentral gelegen, sehr groß und sehr günstig sind. Zwar gibt es dort eine standardisierte Speisekarte, aber gegessen hatte ich ja schon und bei der Getränkeauswahl kann man Wetherspoon zumindest zugute halten, neben den industriellen Bieren auch immer eine gute Vielfalt an Guest Ales vom Fass anzubieten. Hier allerdings leider nicht. Es gab nur Flaschenbier, welches zu allem Übel von den Blasphemikern hinterm Tresen auch noch in Plastikbecher umgeschüttet wurde. Grummelnd statt gründelnd trottete ich nach nur zwei Pseudopints mit hängenden Flügeln zum Gate für meinen Weiterflug nach Dubai.

 

 

Von Hamburg über London und Dubai nach Indien zu fliegen klingt zugegebenermaßen umständlich. Das relativiert sich aber schnell, wenn man bedenkt, dass mir bei der Reiseplanung Alternativen der Güteklasse Hamburg-Oslo-Moskau-Bangalore oder Hamburg-Paris-Mumbai-Kozhikode vorgeschlagen wurden. Preislich am günstigsten wäre  - kein Scherz - Hamburg-Madrid-Stockholm-Dubai-Kozhikode gewesen - Norwegian Air ick hör dir trapsen.... Statt den asketischen Vorjahreswahnsinn zu wiederholen gab es diesmal fast schon dekadente kulinarische Versorgung bei British Airways. Nach einem für Airlineverhältnisse durchaus verzehrbaren Essen war nämlich Schluss mit lustig und die mehrheitlich britischen Passagiere machten ihrem All-Inclusive-Auftrag alle Ehre: Sie zechten, dass es eine wahre Freude war und die Stewardessen kamen anfangs kaum mehr mit dem Nachschenken/ Flaschen reichen/ Dosen öffnen hinterher. Cheerio! Bei soviel wiedergewonnenem Pubfeeling wurde sogar für mich als Eisenbahnfan diese Art der beengten Fortbewegung etwas erträglicher.

Mit einem gesunden Glimmer ausgestattet ging es dann in Dubai um 01:00 Uhr durch die nächtliche aber dieses mal erstaunlich laxe Einreisekontrolle, mit dem Taxi zum Hotel und ins Bett (no, sir, the bar is not open because we dont have a bar"). 

 

Ich weiss nicht ob ich es zwingend der gesunden Vollverpflegung bei British Airways oder doch eher der nicht vorhandenen Hotelbar zuschreiben möchte, aber ich war erstaunlich fit als der Wecker um halb acht schon wieder klingelte. Also konnte - im Gegensatz zum letztjährigen Zwischenstopp - diesmal die Zeit bis zum Weiterflug zu einem Abstecher mit der Metro in die "Stadt" genutzt werden. Als irgendwann vor Urzeiten mal gelernter Stadtplaner mit Schwerpunkt nachhaltige Planung und Entwicklung stand ich Dubai mit einer - sagen wir es mal ganz vorsichtig - Mischung aus Ablehnung  und Neugier gegenüber. Naja, was soll man zu diesem ganzen Bauwahnsinn schon sagen? Die Neugier wurde befriedigt, die Ablehnung hat sich bestätigt. Wasserfälle in Verkehrskreiseln? Indoorskihalle? Eiskunstlaufen und Monsteraquarium?  Künstliche Inseln? Wolkenkratzer? Und das alles in der Wüste? Ernsthaft??? Aber nun gut...Es mag sicherlich auch Gründe geben, so etwas gut zu finden. So wie es eben anscheinend auch Gründe gibt, Biathlon in der Arena auf Schalke für sportlich wertvoll, RB Leipzig für existenzberechtigt, Pamela Andersons Oberweite für natürlich attraktiv oder Donald Trump für einen Politiker zu halten...

Aber kommen wir lieber endlich mal zum eigentlichen Grund dieses Berichts und damit dieser Reise: Kaffee! Den gibt es nämlich in Dubai! Nein, zum Glück (noch?) kein Rohkaffeeanbau, sondern Röstkaffee. Und zwar ganz hervorragenden bei den Kollegen von RaW Coffee in der Nähe der Metrostation Noor Bank. Der Laden liegt etwas versteckt in einer Art Gewerbehinterhof. Ich bekam dort einen exzellenten Äthiopien Harar natural als Espresso und einen gewaschenen Sidamo washed als Filterkaffee. Das Personal am Tresen war top ausgebildet und konnte zu allen Kaffees die notwendigen Infos geben. Der Chef des Ladens nahm sich dann noch die Zeit, sich für einen kurzen Plausch zu mir zu setzen und als ich mich als Kaffeeröster zu erkennen gab bekam ich noch eine kurze Führung durch den Schulungsraum und die Rösthalle. Die Kollegen rösten auf zwei 15 kg Coffeetools, wobei einer von den beiden automatisch gesteuert wird. Leider war an diesem Tag keine Produktion, so dass ich mir das leider nicht genauer ansehen konnte. Insgesamt ein sehr lohnenswerter Besuch, bevor es nach entspanntem Check In um 15:00 mit Air India weiter nach Kozhikode ging. 

Der Flug auf Sitzen der Marke „Holzklasse“ dauerte knapp dreieinhalb Stunden, es gab wieder gutes Essen in Form eines vegetarischen Biryani und etwas Trubel bei der Landung. Es gibt ja in Flugzeugen das weitverbreitete und quer durch alle gesellschaftlichen Schichten und weltweit zu beobachtende Sprungfeder-Phänomen. Nachdem das Fahrwerk die Landepiste berührt hat, reißt sich ein Großteil der Passagiere dabei hektisch der Anschnallgurt vom Leib um dann unter größerer Kraftanstrengung den Hartschalenkoffer aus dem Handgepäckfach über die Köpfe der Mitfliegenden auf den eigenen Sitz zu wuchten und dann davor in gekrümmter Haltung noch zehn bis fünfzehn Minuten handlungsunfähig herumzustehen. Letzteres Phänomen spielte sich hier allerdings schon im Landeanflug ab und führt dazu, dass der Chefsteward, begleitet von wütenden Durchsagen, hektisch durch den Gang lief, die entsprechenden Personen anbrüllte und sie wieder in den Sitz herunterdrückte. Sowas hatte ich auch noch nicht gesehen.

 

Im Flughafen in Kozhikode müssen Ausländer vor der Einreise ein gesondertes Formular mit Angaben zu ihrer Person, Passnummer, Visum, Reisezweck, Kontaktperson und Aufenthaltsadresse in Indien ausfüllen. Dieses Formular bekommt man erst nach Verlassen des Flugzeugs von einem extra dafür zuständigen Sicherheitsmitarbeiter wenn man sich in die lange Warteschlange vor der Passkontrolle einreiht. Ein junger uniformierter Mann kam daher auf mich zu, bat mich zur Seite und drückte mir den entsprechenden Blankozettel und einen Stift in die Hand. Mit prüfendem Blick guckte er mir dann beim Ausfüllen die ganze Zeit aufmerksam über die Schulter. Als ich ihm nach fünf Minuten den beschriebenen Zettel wieder in die Hand drückte sah er sich das Papier an, nickte kurz in die Richtung der Passkontrolle und meinte mit besorgter Stimme „Sorry, my dear sir, they cannot work with this, they will not read this, but i will help you“. Daraufhin nahm er einen neuen, leeren Zettel und füllte ihn selber aus. Dabei wurden Schreibweise meines Namens sowie die Geburtsdaten munter durcheinandergewürfelt bis kaum noch etwas mit meinem Pass übereinstimmte. Zufrieden mit seinem Werk drückte er mir freundlich mit dem Kopf wackelend den Wisch in die Hand, stellte sich lächelnd neben mich und machte mit seinem Handy ein Selfie von uns. Zum Abschluss bat er mich dann noch um meine Handynummer, da er mich schon bald besuchen kommen wollte.

Das Chaos auf dem von meinem neuen Freund ausgefüllten Zettel führte dann bei der Passkontrolle natürlich dazu, dass letztendlich zwei Beamte wild gestikulierend versuchten die Daten auf dem Zettel mit denen von Visum und Pass miteinander in Einklang zu bringen. Letztendlich durfte ich mit dem Stempel im Pass und als letzter Reisender passieren. Welcome to India!

Nach der Passkontrolle ging es durch eine weitere Sicherheitsschleuse zum Gepäckabholen. Da kurz vorher ein weiterer Flieger aus Al-Ain gelandet war herrschte hier ein riesiges Durcheinander und mehrere Hundert Menschen versuchten an ihr Gepäck zu kommen. Anstatt die beiden Flieger separat auf den zwei vorhandenen Laufbändern abzuarbeiten wurden alle Gepäckstücke vermischt und zusammen auf ein Gepäckband geschmissen. Entsprechend lange dauerte es dann bis mein roter Rucksack zwischen all den verschnürten Monsterkartons und Smart-TVs auftauchte. In dieser Stunde Wartezeit wurde ich natürlich wieder von diversen Leuten angesprochen, um Selfies gebeten und hatte diverse neue Whatsappfreunde. Das schöne an Indien ist, dass die Leute einem zumindest mit einer angenehmen Mischung aus Neugier und Höflichkeit begegnen. Ein Problem mit Distanzverlust und vielen Menschen auf wenig Raum sollte man hier allerdings besser nicht haben.

Von meinem letzten Besuch war ich auf das Chaos vor dem Flughafen schon vorbereitet. Auch dieses Mal wartete dort unter freiem Himmel vor dem Arrivalsbereich wieder eine völlig unübersichtliche, riesige Menschenmenge. Vier Taxifahrer berieten schließlich über die von mir angegebene Hoteladresse und nach fünfminütiger Diskussion untereinander wurde ich dann von allen gemeinsam über die Straße zum Auto begleitet wo der fünfte Mann stand und mich dann letztendlich fuhr. Wahnsinn!

 

Das Hotel befindet sich in einer eher muslimisch geprägten Gegend, so dass ich um halb sechs morgens vom Muezzin der nahegelegenen Moschee geweckt wurde. Der Islam ist mit knapp 27 % die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Kerala und deutlich auf dem Vormarsch. Das führt immer häufiger zu gewalttätigen Konflikten mit der hinduistischen Mehrheit, die knapp 55% ausmacht. Der Anteil der Christen beträgt ca. 18% und liegt damit weit über dem indischen Landesdurchschnitt von 2 %.

Zum Frühstück gab es ein herzhaftes Dosa Marsala bevor mich der Fahrer von Organic Wayanad wie geplant abholte. Nach diesmal lediglich etwas mehr als vier Stunden kamen wir am Sonntag gegen 15:00 Uhr in Wayanad bei Vanamoolika an, wo ich von Chackochan und seiner Frau Grace herzlich begrüßt wurde. Ich schlafe dieses Mal nicht in den Räumen der Kooperative, sondern bei Chackochan zuhause mit eigenem Gästezimmer und Bad. Neben drei leckeren Mahlzeiten am Tag bedeutet das vor allem hoffentlich diesmal besseren Zugang zum Internet als letztes Jahr, wo ich teilweise nachts auf der Veranda des Büros saß um ein Signal zu erhaschen.

 

Nach einem Rundgang besprachen wir schon einmal grob die nächsten Tage und die aktuellen Entwicklungen.

 

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