Unsere dritte Partnerkooperative, die wir auf dieser Reise besuchen ist mittlerweile die größte und stabilste Genossenschaft hier. Wir fuhren mit dem Filmteam ins nah an Tena gelegenen Örtchen Rukullakta. Dieses Dorf ist auch der Verwaltungssitz des über 40.000 Hektar großen Gebietes des „Pueblo Kichwa de Rukullakta“.
Das Land hier gehört der Bevölkerung des Gebietes als Ganzes. Dadurch werden hier die Landspekulation und -verkauf durch Privatpersonen verunmöglicht und auch die Bergbaukonzerne bekommen so keinen Zugriff. Der Große Traum ist eine weitgehende politische Selbstverwaltung der hier lebenden Kichwa. Seit meinem ersten Besuch hier im Gebiet gewann ich auch den Eindruck, dass es ein sehr großes Selbstbewusstsein und hohe politische Bildung gibt. Hier entstanden sowohl die indigene Bewegung CONAIE als auch die indigene Partei Pachakutik.
Auch für den Kaffeeanbau hat der kollektive Landtitel eine große Bedeutung: es ist aufgrund gemeinschaftlicher Beschlüsse im gesamten Gebiet verboten, Primärwald (hier etwas mehr als ¼ der Fläche) zu fällen, chemisch mineralischen Dünger zu benutzen, Fungizide oder Insektizide auszubringen und so weiter. Wenn das Land allen gehört, darf ein Individuum es einfach nicht zerstören. Und die alte Forderung „Das Land denen, die es bearbeiten“, hat hier auch seine Gültigkeit. Die Chakras sind jeweils nur so groß, dass sie von der Familie bewirtschaftet werden können.
Die Kichwas die das Gebiet bewohnen, entscheiden alles in vierteljährliche Vollversammlungen, auf denen ihre Belange diskutiert werden. Dazu gibt es hier ein riesiges Auditorium, in das über 2000 Menschen hineinpassen. Die gewählten Führer (Kurakas) müssen dem Willen der Bevölkerung dabei unbedingt gehorchen. Das Demokratieverständnis läßt sich mit „Das Volk befiehlt“ zusammenfassen. Für die Vermarktung und Verarbeitung des Kaffees gibt es mit „Waylla Kuri“ eine Genossenschaft, genauso wie für den „Guayusa“. Auch hier wird die Demokratie im Alltag sehr ausgeprägt gelebt.
Uns empfingen am Morgen der neue Kuraka, Viktor Shiguango sowie drei ehemalige Kurakas, unsere Freunde Augusto (Waylla Kuri) und Simón (Guayusa) sowie 20 weitere Vertreter*innen der hiesigen Strukturen. Nach einer Begrüßung und einem Abtasten fuhren wir gemeinsam zu den Verarbeitungsstationen und Bodegas von Kaffee und Guayusa.
Hier erwarteten uns gleich zwei sehr positive Überraschungen. Waylla Kuri gelang es, gleich 90 Zentner mehr Kaffee zu ernten, zu kaufen und zu verarbeiten, als wir vertraglich vereinbart hatten. Damit werden die Mindermengen von Jatari und ein kleiner Teil der riesigen Mindermenge von ASOSUMACO ausgeglichen und wir können ab April wieder „Cremaconda“ für euch rösten. Nach den organisatorischen Problemen während der ersten zwei Jahre der COVID-Pandemie, hat sich Waylla Kuri sehr stabilisiert und ist auf einem sehr guten Weg. Laut Augusto müssen sie noch um 30 bis 35 % wachsen, um wirklich rentabel zu arbeiten. Bis dahin sind sie auf Subventionen und Hilfen angewiesen bzw. auf unbezahlte Arbeit im Rahmen ihrer Strukturen.
Und auch beim Besuch der Guayusa Verarbeitung konnten wir gute Neuigkeiten feststellen. Nachdem es in den letzten 12 Monaten immer wieder zu neuen bürokratischen Hürden kam, ist das von uns bestellte Produkt nun endlich fast verschiffungsfertig. Es wurde beteits zum dritten Mal für uns geerntet, fermentiert, getrocknet und gemahlen. Nun soll es in den kommenden Wochen verpackt und verschickt werden. Alle Dokumente sind da. Außerdem wird nun mit einer Guayusa Limonade und mit einem Guayusa Bier in Flaschen experimentiert. Beides konnten wir testen und beides ist sehr lecker. Vielleicht hat jemand aus unserem Brauer-Freundeskreis in Deutschland ja Lust, auch mit uns ein Guayusa Bier zu machen.
Später am Tag besuchten wir noch eine sehr vielfältige Chakra um uns die Anbaumethoden zeigen zu lassen. Am Abend ging es zurück nach Tena. Wir aßen in einem inoffiziellen Restaurant sehr gute Pizza Margerita. Ein aus der Türkei stammender Bewohner von Tena stellt eigenen Mozzarella hier und backt auf Reservierung und Anmeldung wirklich gute Pizzas, die er auf seiner Terrasse serviert.