Der Markt mit dem leckeren Gartenobst öffnet zum Glück schon sehr früh, so konnte ich schon um 6 Uhr unser Frühstück einkaufen. Gestärkt mit saftigen Bananen waren wir bereit für den Ausflug zu Jatary. Jatary war die erste Robusta-Kooperative, mit der wir hier gearbeitet haben und so gibt es bereits seit 14 Jahren unsere Kooperation.
Wir wurden von Michele und Melisa sowie einigen Volontär*innen der ENGIM bei unserem Hotel abgeholt und so hatten wir wieder einen sehr komfortablen Transport nach Ahuano. Die Straße ist mittlerweile komplett asphaltiert, so sind es bis zum Flusshafen, an dem wir in das Dorf von Jatary übersetzen nur noch 30 Minuten Fahrt und nicht mehr 3 Stunden mit dem Bus wie noch vor 14 Jahren. Im Punto Ahuano gibt es kleine Flussfähren, die auch Autos und sogar LKW übersetzen können. Der Rio Napo führt aufgrund der extremen Hitze und Trockenheit kaum Wasser, ich habe ihn noch nie so flach und langsam fließend gesehen.
Bei der Verarbeitungsstation von Jatary erwarteten uns zu dieser frühen Stunde schon 30 Mitglieder der Genossenschaft, darunter der Präsident Alejandro Grefa, die neue Sekretärin Flor und die Jugendlichen um Wilmer Noe Shiguango, die für die Cafeteria von Jatary verantwortlich sind. Jatary hatte das vergangene Jahr mit Ernteproblemen zu kämpfen und kam leider nur auf die 60% der vereinbarten Erntemenge, die wir auch vorfinanziert hatten. Wir hoffen, in den drei Tagen, die wir hier vor Ort verbringen werden, die Gründe dafür nachvollziehen zu können. Unser wichtigstes Ziel hier aber ist es, die Genossenschaft irgendwie fit zu bekommen, um die nahezu unüberwindbaren bürokratischen Hürden des europäischen Entwaldungsgesetzes zu meistern. Die EU hat zwar versprochen, kleinbäuerlichen Strukturen dabei helfend zur Seite zu stehen, um sie vor negativen Effekten zu schützen, versagt dabei meiner Meinung nach aber auf ganzer Linie. Es gab hier bisher gefühlt keinerlei Beratung dazu und völlige Unklarheit, was die Kooperativen genau erwartet. Es sieht so aus, als ob die Strukturen und der Markt, die auch in Zusammenarbeit mit uns hier in den letzten 14 Jahren aufgebaut wurden, kaum eine Chance haben werden dieses Gesetz zu überleben. Es ist ja nicht mal uns selber klar, wie genau dieses Gesetz zur Anwendung kommen wird. Auch die Italiener*innen der ENGIM, die hier agronomisch und strukturell beraten, wissen quasi nichts über das Gesetz. Und sie sind sich auch sicher, dass es in Italien sowieso niemals kontrolliert werden wird, ebensowenig wie andere europäische Abkommen in der Praxis in Italien eine Rolle spielen.. Wobei ich mir sicher bin, dass Deutschland die Umsetzung ernst nehmen wird. Diese Einschätung wird übrigens auch von den Einkäufern von Lavazza geteilt, die hier auch aktiv sind. Soviel zu Gleichheit im europäischen Wettbewerb…
Normalerweise dienen unsere Reisen vor allem dazu, das Vertrauensverhältnis zwischen den Produzierenden und uns auszubauen und unsere jeweiligen Wünsche und Bedürfnisse abzugleichen. Diese Reise hat den absoluten inhaltlichen Schwerpunkt, das EUDR Ding irgendwie zu erklären. Es stößt hier, wie gesagt auf völliges Unverständnis. Wie soll ich das hier erklären? Seit 14 Jahren fördern wir als Quijote die unserer Meinung nach nachhaltigst möglichen kleinbäuerlichen Anbaumethoden in den Waldgärten. Seit 14 Jahren stärken wir die hiesigen Strukturen, haben gemeinsam die Qualitäten auf ein tolles Niveau angehoben und versprechen ihnen einen sicheren und zukunftsträchtigen Markt für ihren großartigen Kaffee.Und dann sorgt die europäische Gesetzgebung dafür, dass die wirtschaftliche Zukunft von tausenden Familien hier in der Region komplett infrage gestellt wird.
Wir versuchen hier nun also, Grundlagen für die Erfüllung der Anforderungen der Monsterbürokratie zu schaffen, die wir bisher selber nicht verstehen. Große Kaffeeunternehmen ziehen sich aus diesen Gegenden mittlerweile komplett zurück und kaufen „sicheren“ Kaffee ein. Zum Beispiel aus Brasilien. Dort wurde schon vor 40 Jahren in den Kaffeegegenden komplett entwaldet und nun wird monokulturell-industriell Kaffee angebaut wie in Deutschland Mais oder Raps. Ich bin mir sicher, dass das EUDR Gesetz so nicht gewollt hat, durch Lobbyarbeit wurde aber auch hier dem Anschein nach wieder aus einer guten Absicht eine soziale und ökologische Katastrophe erzeugt. Die Umsetzung des EUDR bedroht anscheinend weltweit die Existenz von Millionen Menschen.
Zurück nach Ahuano: wir schauten uns den Zustand der Lager und der Verarbeitungsanlagen an (sehr gut) und besuchten die Chakras von Don Angel und Estela. Estela hat letzte Ernte mit ihrem Mann und ihrem Sohn zusammen 115 Säcke reife Kaffeekirschen bei Jatary eingebracht und ist somit sicher eine der wichtigsten und größten Produzentinnen. Auf Don Angels Finca sahen wir über 30 verschiedene Baumarten und zig weitere Nutzpflanzen. Auch hier herrscht noch völlige Unklarheit, was EUDR dafür bedeutet. Ist das Wald? Darf hier überhaupt Kaffee angebaut werden? Darf ausgelichtet werden, wenn der Schatten überhand nimmt?
Zurück in Ahuano gab es frisch zubereitetes Essen. Frisch gefangenen Tilapia mit Palmherzen und Chonta-Maden im Bananenblatt gegart und eine Vielzahl exotischer Obstsorten aus den Charkras. Unter anderem „Guava de Bejuco“ und „Uva del Monte“ . Danach gab es aufgeschäumten Cold-Brew Kaffee mit Orangensaft und Filterkaffee. Beides sehr gut geröstet und zubereitet von Wilmer.
Wir verabschiedeten uns und fuhren mit den Kolleg*innen der ENGIM zurück nach Tena, wo wir uns das Casa Bonucelli anschauten, in dem die ENGIM Saatgut und Jungpflanzen herstellt.
Morgen geht es dann wieder nach Ahuano, wo wir versuchen werden, die Zukunft ein wenig konkreter zu besprechen und wie wir unseren Kommunikationsfluss verbessern können. Die Herausforderungen könnten kaum größer sein.