Lennon auf seiner Finca "Liquidambar"
Um 8:00 Uhr wurde ich wieder von Lennon vom Hotel abgeholt, gemeinsam fuhren wir zum Haus seiner Mutter und es gab wieder Tortillas, Rührei, Bohnenmus, Crema, Platanos und Kaffee.
Meine Farmhosen hatte ich nach gestern etwas „abgestaubt“, meine Schuhe sahen jedoch grausam aus, die hatte ich in einer Tüte mitgebracht. Nach dem Frühstück also erst einmal Turnschuhe gegen
Trekking Schuhe getauscht und los ging es in Lennons rotem, alten Toyota Pickup.
Der kleine Zwischenstopp an der Tankstelle war heute ganz speziell. Zweimal im Jahr wird Marcala zur Biker-City, heute war es mal wieder so weit. Crossmachinen, Quads, Rennmaschinen und keine
Ahnung was noch alles, heute röhrten die Motoren in der City. Ganz gleich wie hart das Leben hier auch ist, es gibt hier Hobbys wie überall. Es kann sich nicht jeder z.B. ein Motorrad
leisten, aber einige sehr wohl. Und einige sparen einfach so lange, bis es geht. Für einige ist es nur Fortbewegungsmittel, für andere eben auch Spaß pur. Da die Straßenregeln hier sowieso
recht flexibel sind, ist dieser Tag hier immer etwas ganz Besonderes.
Kaum waren wir raus aus dem hektischen Ortskern erzählte mir Lennon noch sein Highlight des gestrigen Abends. Ein Nachbar hatte gestern auf der sandigen Straße in seiner Nachbarschaft eine
ganz spezielle Begegnung: Mitten auf der Straße schlängelte sich eine über ein Meter große Boa entlang. Schlangen sind hier generell nicht gerne gesehen, eine Boa gehört aber nicht zu der
normalen Tierwelt. Prompt sammelten sich die Nachbarn auf der Straße und schauten sich ungläubig die Boa an. Bevor sämtliche Vermutungen über den Ursprung der Schlange aufgeklärt wurden,
beendete ein Nachbar das Schauspiel mit einem großen Stein.
Nachdem ich bei meiner letzten Reise eine Spinne in der Größe einer stattlichen Männerhand an einer Hauswand gesehen hatte, war ich froh, nur etwas über eine Schlange zu hören und keine
zu sehen. Meine Schuhe sind aus mehreren Gründen sehr stabil und ziemlich hoch.
Lennons Finca liegt etwas in den Bergen und der Weg dahin ist nur mit 4-Rad Antrieb machbar und auch nur, wenn es nicht geregnet hat, am Besten mehrere Tage. Der erste Teil des Weges ist mit
2 schmalen Spuren aus Pflastersteinen von je ca. 40 cm Breite auf dem sandigen, matschigen oder zerklüfteten Weg ganz ok. Der Regen vom Vortag hatte aber leider mehrere elektrische Leitungen
von den Pfosten gerissen, heute wurden sie repariert. Die Leitung ist sehr speziell und scheinbar willkürlich verlegt. An einer der Baustellen stand eine Gruppe von 5 Leuten, einer von ihnen
„Papa Pitufo“, was nichts anderes bedeutet als Papa Schlumpf. Lennon und er hielten etwas Smalltalk und ich grinste vor mich hin. Bei meinem letzten Besuch konnte ich die Baustelle von Papa
Pitufo sehen. Aktuell gibt es noch nicht so viel, aber ein Fundament ist gegossen, einige Teile zur Konstruktion eines Hauses im Boden versenkt. Das Hihglight für mich und anscheinend viele
ist, dass der Bauplatz bereits eine Art Zaun hat: Einige Pfeiler aus Beton, weiß verputzt, auf denen zig Schlumpf-Figuren stehen. Damit erklärt sich der Spitzname von selbst.
Nach dem Smalltalk und nur wenige Meter weiter, war die Straße dann nicht mehr in der guten Qualität von zu vor. Ein lehmhaltiger, roter Boden, uneben wie sonst was, schlammig und mit Gräben.
Mehr als Schritttempo geht sowieso nicht. Und selbst dabei schaukelt das Auto wirklich sehr stark. Sobald es geregnet hat, geht hier gar nichts mehr, es gibt dann einfach keinen Zugang von
Marcala aus zur Finca. Der Toyota hat sich aber bewährt, selbst als er in der letzten Saison umgekippt ist und auf dem Dach gelandet ist.
Lennon hat nicht als einziger diese Schwierigkeit. Oscar Omar Alonzo Auto ist alleine in der letzten Saison 4-mal umgekippt. Einmal war es 2 Uhr nachts. Er hat Rodolfo Penalba angerufen und
der hat sich dann um Hilfe gekümmert. Soviel Action blieb uns glücklicherweise erspart. Der Blick vom „Parkplatz“ der Finca auf die Pflanzen ist für mich immer wieder unfassbar. Ein
verwunschenes Kesseltal, in der Ebene allerlei Pflanzungen, an den Seiten kleine und große Kaffeepflanzen, dazwischen einige Maispflanzen, die erst Mais für Tortillas liefern und danach
Nährstoffe für die kleinen Kaffeepflanzen. Zu einer Seite gibt es einen dichten Wald, der mit einer sorgfältig angelegten Treppe aus Holz begehbar ist. An heißen Tagen, wie heute, ist der
Wald eine willkommene Abwechslung.
50 % der Pflanzen hat Lennon in den letzten Monaten erneuert, wie so viele auch. Die Varität Parainema ist im Moment der Liebling der Produzent*innen hier, sehr resistent gegen Krankheiten
und groß in der Erntemenge.
Nach einem ausführlichen Rundgang ging es wieder zurück nach Marcala, unterwegs rief Gerardo Penalba an, der große Bruder von Rodolfo. Von ihm und seiner Frau kauft Quijote seit Jahren Melado
Kaffee. Konstant in toller Qualität und in großer Menge verfügbar. Gerardo hat sich den für Honduras noch recht neuen Verarbeitungsprozess sehr zu eigen gemacht. Einige der Icatu Pflanzen
sind über 35 Jahre alt. Und obwohl ein Hybrid , ist die Süße und Fruchtigkeit nach wie vor in der Tasse. Gerardo bat um ein kurzes „Hallo“, also kleiner Zwischenstopp und schon gab es eine
Einladung zum Mittagessen.
Zuvor aber noch Fußball: Lennons 10-jähriger Neffe Jorge hat wie jedes Wochenende ein Spiel und er hat mich eingeladen. Im Gegensatz zu vielen Vereinen in Deutschland, zählt hier nur Alter
und Fähigkeit, Mädchen und Jungs spielen zusammen. Abgesehen davon, dass die Kids in praller Sonne spielten, und voller Enthusiasmus versuchten ein Tor für die eigene Mannschaft zu erringen,
war der Fair-Play Gedanke und der Respekt von allen Anwesenden unglaublich.
Nach dem Spiel haben sich die gegnerischen Mannschaften zum Foto getroffen und beim Gang vom Spielplatz haben sie ihre Gegner*innen, sich selbst und auch das Publikum beklatscht.
Wirklich beeindruckend. Begleitet wurde das ganze durch einen Mix aus Salsa und Techno :D
Im Anschluss sind wir wieder zurück zu Gerardos Familie gefahren. Egal wann ich dort zu Gast war, das Essen war immer außergewöhnlich und auch dieses Mal hat Gerardos Frau gezaubert: eine
tolle Fischsuppe mit Limette und Tortillas und Chilli-Sauce. Mittags gibt es fast immer Suppe hier, je nach Tagestemperatur ist es eine Herausforderung. Dazu gab es Himbeerwein, mehr
Sonntagsessen war gefühlt nicht möglich.
Am Tisch war das Hauptthema die aktuelle Situation im Kaffee. Der Preis für dieses so hart erarbeitete Produkt ist an der Börse kaum etwas wert, von Deckung der Produktionskosten ist nicht
ansatzweise die Rede. Wir haben lange über gängige Alternativen philosophiert, mit dem Fazit, dass zum Ziel „Comercio Justo“ (gerechter Handel) noch einiges fehlt. Auf die Frage, ob Quijote
nicht noch mehr kaufen kann und es mehr Menge zu einem guten Preis geben kann, konnte ich leider nur antworten: Wir sind limitiert in unserer Kapazität, wenn wir langfristig auf dem Markt
bestehen wollen. Wir können keine Preise zahlen, die keinerlei Relation zum Markt haben, um andere Niedrigpreise auszugleichen. Wir können nicht mehr Menge kaufen, als wir verarbeiten oder
für Kolleg*innen mit importieren können.
Wir können nur hoffen, dass andere Firmen, mit ähnlicher Philosophie wie wir, mehr Nachfrage erzeugen, mehr Firmen diesem Weg folgen und gleichzeitig alle Beteiligten sich mehr interessieren,
weiterbilden und engagieren.
Bild links: Haus von Papa Pitufo
Bild mitte: Straße zur Finca "Liquidambar"
Bild rechts: Lennon auf seiner Finca "Liquidambar"