Nach meinem morgendlichen Highlight am Küchentisch von Lennons Mama, ging es heute zur Familie Perez / Manueles. Mario Perez ist einer der Gründungsmitglieder der COMSA und er und seine Frau sind für mich immer wieder unglaublich. Bei meinem letzten Besuch im Mai, war ich schon schwer beeindruckt, dass sollte heute nicht anders sein. Mario und seine Frau Josalinda haben zwei Kinder: Mario Rodolfo und Linda Carlota. Jeder von ihnen hat eine eigene Finca. Die größte Finca ist 4 Manzanas (~2,7 ha) groß, die kleinste 1,5 Manzanas (~1 ha). Obwohl die Fincas nebeneinander liegen, könnten Sie auch in komplett unterschiedlichen Ländern liegen. Jeder der Produzent*innen hat eine eigene Philosophie, eine eigene Art, eine Kaffeeideen umzusetzen.
Lennon hat mich zu Mario und Josalinda begleitet. Auf dem Weg mussten wir eine schmale Stelle passieren, auf der zwei Stiere im Weg standen. Beide angepflockt, nur leider so, dass die Seile quer über die Straße lagen. Ein Bulle rechts. Ein Bulle links. Zur rechten ein Hang, zur linken schroffe Hügel und Privatgelände. Es ging nur geradeaus, vorwärts oder zurück. Die beiden Männer, denen die Stiere gehörten oder die auf sie aufpassten, versuchten sie zum Gehen zu bewegen, das funktionierte nur eingeschränkt. Nach einigen Minuten eröffnete sich eine kleine Passage für uns. Wir hatten die Fenster offen, da das Auto keine Klimaanlage hat, gefühlt mit einer Distanz von 20 cm fuhren wir erst an dem einen riesigen schnaubenden Kopf und dann am anderen vorbei.
Im Gegensatz zum Sommer mussten wir das Auto auf einem Fußballplatz zurücklassen und zu Fuß weiter gehen. Der nahe liegende Fluss führt aktuell zu viel Wasser, das Überqueren mit dem Auto
unmöglich. Also gingen wir querfeldein. Als wir gerade einen Geröllberg vorsichtig heruntergingen, konnten wir sehen, dass ein Pferd, dass den Fluss überqueren wollte, arg mit der Strömung
kämpfen musste. Der Fluss wird aus mehreren Quellen aus den Bergen gespeist, das Flussbett ist sehr uneben und die Fließgeschwindigkeit aktuell sehr hoch. Das Pferd strauchelte immer wieder,
wurde etwas abgetrieben, gelangte letztendlich aber doch ans sichere Ufer. Die Pferde sind hier entweder angepflockt, angebunden oder sich selbst überlassen.
Kaum hatten wir zwei der 4 Holzpfähle, die das Tor zur Finca bilden, zur Seite geschoben, um die Finca betreten zu können, da hörten wir auch schon die tiefe und scheinbar immer freundliche
Stimme von Mario lauthals „Hola. Bienvenido.“ rufen. Die Umarmungen hier sind immer herzlich, bei Mario und Josalinda kann ich mir ein extrabreites Grinsen aber nie verkneifen. Kurz nach uns
erreicht auch Eddil, der Mann von ihrer Tochter Linda Carlota die Finca. Gemeinsam gingen wir zu ihrer kleinen „Casita“ (Häuschen).
Wir aßen und wir gingen über alle vier Fincas zusammen. Wir aßen zig Früchte von den Bäumen, zweierlei verschiedene Bananensorten, tranken Kaffee, tranken mehr Kaffee und aßen noch mehr. Zur
Feier des Besuchs gab es eins der Hühner der Finca, leckere Hühnersuppe mit Kürbis und Yucca und Tortilla.
Wir waren über 4 Stunden da und die Zeit verrann unglaublich schnell. Bei Marios Finca neigen sich die Kaffeepflanzen teilweise schon zum Boden, da die Kirschen schon so zahlreich und schwer
sind. Ich habe bei 2 Pflanzen versucht sie aufzurichten, keine Chance. Gemeinsam mit Mario ging es, sobald wir losließen, lag die ganze Pracht wieder am Boden.
Die nächste Ernte wird früher beginnen als üblich. In Anbetracht von El Niño (aktuelles Wetterphänomen) und der Perspektive, dass dessen dickes Ende vermutlich erst noch kommt, ist das vermutlich
sogar gut. So oder so, das Wetter ist in weiten Teilen von Honduras mittlerweile unberechenbar: zu trocken, zu feucht, zu heiß, zu kalt in der Nacht, zu viele, zu heftige Stürme, sodass die
Landwirtschaft immer schwieriger und unsicherer wird.
Mario hat fast zwei Jahre bis zur Fertigstellung gebraucht, aber es gibt jetzt eine kleine Brücke für Fußgänger*innen, sodass Mario und seine Familie alle Fincas der Familie zu jeder Jahreszeit
erreichen können.
Voller Stolz zeigt mir Mario noch von der Brücke aus die Stelle am Fluss, an der seine Großmutter die Wäsche der Familie auf den riesigen Steinplatten gewaschen hat.
Da ich noch einiges für das geplante große Treffen am Montag vorbereiten musste, hieß es viel zu bald „Hasta muy pronto“ (Bis bald).
Zurück im Hotel musste ich erst einmal unter die Dusche. Josalindas Finca hatte mich wieder einmal geschafft. Josalinda ist einige Jährchen älter als ich, sie hatte Ballerina Schuhe an, während
ich meine fetten Hightech Trekkingschuhe anhatte, aber sowohl die steilen, mit mannshohen Felsen bedeckten Hänge, als auch die Aussicht auf die dicht bewucherten, für mich unübersichtlichen
Abgründe waren schweißtreibend.
Nach weiteren Stunden am Computer und Handy (Whatsapp) erhielt ich eine weitere spontane Einladung von Rodolfo, dem Geschäftsführer der COMSA.
Morgen würde er nach Japan fliegen, jede gemeinsame Minute ist kostbar.
So verbrachte ich letztendlich im Kreise seiner Familie noch einen schönen Abend mit ihm. Neben Mais und Fleisch vom Grill, Chimichurri (Kräutergewürzsauce), Bohnen und Tortilla gab es noch sehr
leckeren Kaffee.
Die Energie von dem mittlerweile über 60-jährigen Rodolfo ist für mich immer wieder Ansporn und pure Fassungslosigkeit zugleich.
Bild links: Josalinda auf ihrer Finca "Santa Bárbara"
Bild mitte: 2 Generationen: v.l. Eddil und Mario
Bild rechts: Marios Brücke