Ruhig war die Nacht nicht, ich habe aber mit zwei Kissen auf dem Kopf doch schlafen können. Unsere Reisegruppe reduzierte sich heute Morgen, Timo blieb noch ein wenig in der Gegend und Max und ich reisten dann direkt vom Farmbesuch aus der Gegend ab.
Morgens holte der Geschäftsführer Luis dann Max und mich vom Hotel ab und wir fuhren direkt zur 30 km entfernten Basisgruppe Los Voladores. Hier trafen wir auf Melqui Prado, einen Mann von
unglaublicher Energie und Überzeugung. Er hat 5 Hektar Schutzwald direkt neben seinem Kaffeefeld in einer Höhe von nur 800 m ÜNN. Seit 2016 baut er auf seinen extrem steilen 5 Hektar Kaffee in
regenerativer Kreislaufwirtschaft an. Alles ist aufgrund der steilen Hänge terrassiert, die Bodenbearbeitung und das Jäten gehen hier nur mit einer Machete. Für Motorsensen ist es viel zu steil.
Er hat deutlich mehr Bäume als Kaffeepflanzen. Diese Bäume beschneidet er je nach Sorte alle 6 Monate bis zwei Jahre und lässt alles Abgeschnittene inklusive der dickeren Äste im Feld. Dadurch
hat er die Terrassen stabilisieren können und mittlerweile Baumarten in seinem Kaffeefeld. Dadurch ist die Vegetation extrem abwechslungsreich und scheint sich gegenseitig zu schützen. Viele der
Bäume sind Leguminosen. Wir haben keine Pilzkrankheiten auf den 5 Hektar feststellen können, obwohl Melqui noch nicht einmal mit Kalk oder Schwefel arbeitet. Und es gibt deutlich mehr Vogelarten
bei ihm auf dem Cafetal als bei anderen Farmer*innen
Melqui experimentiert u.a. mit vielen Kaffeesorten, die er selektiv erntet und beobachtet. Er hat sich gerade von seinen bereits voll produzierenden Geishas ein paar hundert neue Geishas
reproduziert und gepflanzt. Die Geishas tragen bei Melqui extrem reichhaltig, selten bei dieser Varietät. Und das auf 800 Metern Höhe. Ich bin echt gespannt auf Verkostungen in der Zukunft.
Außerdem experimentiert er mit verschiedenen Fermentationszeiten und -methoden. Und er probiert seine Kaffees alle selbst. Melqui erwartet dieses Jahr eine Ernte von ca. 100 Zentnern, das sind 8
% der gesamten Genoss*innenschaft.
Weiter ging es in ein anderes Tal zur Gruppe „Los Cochas“ . Hier besuchten wir das Feld von Wilman Granda. Auch Wilman hat unbändige Kraft. Er ist mit unter 40 Jahren noch sehr jung und arbeitete
mit seinem Bruder und Freunden gerade auf dem Feld als wir ankamen. Es ist mitten in der Ernte und alle haben alle Hände voll zu tun.
Hier ist es eher traditioneller Bioanbau, auch hier wieder mit sehr vielen Bäumen. Hier aber mit deutlich mehr Schatten als bei Melqui. Die Bäume werden nicht zurückgeschnitten und somit nicht zu
Dünger. Die Erträge sind hier sehr hoch, Wilman hat ertragreiche Varietäten angebaut und arbeitet äußerst fleißig und hart. Die Kaffeepflanzen strotzen vor Kraft, das Cafetal sieht prächtig,
gesund und höchst professionell aus. Dies zahlt sich aus. 30 Zentner pro Hektar lassen Kaffeeanbau zu einem einträglichen Geschäft werden. Schon Wilmans Vater hat hier angebaut. Wilman sieht auch
weiterhin eine gute Zukunft für Kaffee in der Gegend.
Wir aßen ein sehr reichhaltiges Mittagessen zubereitet von Wilmans Mama, ausschließlich aus Zutaten von der Finca und tranken viel selbstgerösteten Kaffee von der Finca.
Diese Stärkung war gut für uns, denn wir hatten heute noch eine weite Strecke zu fahren.
Wir brachten Luis zurück zur Genoss*innenschaft und machten uns sofort auf den Weg. Binnen 8 Stunden Autofahrt ohne Pause erreichten wir das malerische, ruhige und sichere Fischerdorf Ayanque.150 km nördlich von Guayaquil. Wir hatten uns das beide vorgenommen. Uns kommen 1½ Tage Erholung dort genau recht. Die Reise war sehr intensiv und extrem anstrengend.
Aber es war sehr wichtig, dass wir wieder hier waren. Nach dem katastrophalen Jahr 2022 sind alle Genoss*innenschaften wieder stabil und schauen optimistisch in die Zukunft. Wir konnten viel gegenseitiges Vertrauen aufbauen und neue Absprachen treffen. Ich schätze, dass es für nicht-in-Genoss*innenschaften-organisierte Kaffeeproduzent*innen in den nächsten Jahren sehr schwierig wird. Das Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten der EU schafft gemeinsam mit dem immer drastischere n Auswirkungen des Klimawandel und den schlimm niedrigen Weltmarktpreisen für Kaffee kaum zu bewältigende Herausforderungen.
Dafür ist es unabdingbar, dass die Genoss*innenschaften und wir eng und langfristig angelegt zusammenarbeiten.