Duschen fiel heute morgen aus, das Wasser ging nicht. Aber so flexibel kann man schon einmal sein. Die Lampen flackern auch so manches Mal in unserem Hotel, aber insgesamt ist es einfach perfekt: gemütlich und mit etwas Glück funktioniert sogar WLAN.
Wie schon die Tage zuvor sind Gerrit und ich zu Nancy ins Café frühstücken gegangen. Hier holte uns dann wieder Rodolfo ab, es ist wirklich erstaunlich, wieviel Zeit er sich für uns nimmt, immerhin ist gerade Erntehochzeit und die Käufer und Farmer geben sich die sprichwörtliche Klinke in die Hand.
Heute auf dem Programm steht die Modelfarm "Fortaleza" der COMSA. Knapp 25 min. von unserem Hotel entfernt, erwarten uns 70 ha - Forschungsmekka.
70 % der Fläche sind bewaldet, 30 % werden Landwirtschaftlich (Obst, Gemüse, Viehweiden, Kaffee) genutzt. Pro Jahr dürfen nur 5 - 10 Bäume gefällt werden, für jeden Baum muss ein Antrag gestellt werden. Selbst in Honduras gibt es für einiges echte Bürokratie. Eine der 16 Mitarbeiterinnen der "Fortalesa" berichtete uns, dass Ihr Vater auf eigenem Grund und Boden einen Baum ohne Erlaubnis gefällt hatte und dafür beinahe in das Gefängnis gewandert wäre.
Fredy einer der 6 Techniker der COMSA ist hauptverantwortlich für die "Fortaleza" und hat uns einen Einblick in seine Arbeit gegeben. Angefangen hat die COMSA im Jahr 2000 mit der Forschung im Bereich Düngung und biologischen Pflanzenschutzmitteln.
Zu Anfang schien das organische Material der Schlüssel für alle Probleme zu sein. Im Laufe der Jahre, mit zu nehmenden Know-How stellte sich jedoch für die COMSA heraus, das Microorganismen und mineralische Moleküle und das Zusanmmenspiel von allen Dreien der eigentliche Schlüssel sind.
Damit Fredy und seine Kollegen auch weiterhin so tolle Ergebnisse erzielen, haben wir uns nach ca. 1 Stunde wieder auf den Weg gemacht und überliesen die Techniker und die anderen COMSA Mitarbeiter ihrer Arbeit. Insgesamt forschen und arbeiten hier 16 Angestellte der COMSA.
Total beeindruckt ging es zurück in das Zentrum von Marcala. Rodolfo und zwei weitere COMSA Mitarbeiter nahmen sich die Zeit für einen kleinen Mittagssnack.
Ich habe leider keine Ahnung mehr wie es hieß, aber auf Gerrits und meinem Teller lag eine riesige Tortilla (Baleada!), einmal in der Mitte zusammengeklappt und gefüllt mit Wurst, Ei, Käse und Gemüse. Rodolfo und Co. hatten sich bei der Bestellung in dem winzigen Bistro einen kleinen Scherz erlaubt. Zusammengeklappt war die Tortilla gut und gerne 35 cm lang und 20 cm breit und 2- 3 cm hoch. Glücklicherweise hatten Gerrit und die 3 Scherzkekse Erbarmen mit mir und haben die Hälfte meiner Portion vertilgt.
Mehr als satt ging es für Gerrit und mich mit neuem Fahrer, genauer Fahrerin weiter.
Sonia aus dem Leitungsrat der COMSA wollte uns unbedingt noch zeigen, was die Frauen der COMSA so auf die Beine stellen. So kamen wir in den Genuss uns 3 weitere Farmen anzusehen. Jede der Farmen war auf ihre eigene Art interessant. Auch wenn die Farmen sich oft ähneln, letzendlich ist jede Farm schon allein aufgrund der Geschichte des Eigentümers ein echtes Original.
Fazit des Nachmittags für mich war: Der Wissensdurst, der Erfindergeist und der Wunsch nach mehr Qualität ist gross, auch bei den Frauen. Häufig nehmen die Frauen die COMSA Weiterbildungsangebote wahr, sind Feuer und Flamme, bearbeiten ihre Männer solange bis sie ein eigenes Stück der Parzelle abbekommen, probieren wie wild, tauschen sich aus, erzielen gute Ergebnisse und stecken andere (auch den eigenen Mann) mit Enthusiamus an.
Oft ist der Wunsch nach mehr Qualität, eng mit dem Wunsch nach mehr Geld verbunden, aber die Lebensqualität und das Bewusstsein für die eigene Gesundheit sind ebenso häufig Gründe genug neue Methoden und organische Produktion umzusetzen.
Am Ende des Tages haben wir dann noch drei weitere Farmer, dieses Mal Männer besucht. Alexis, Cristian und Cristobal. Alexis notiert jede Wetterschwankung, jede Veränderung und natürlich alles was er mit welchen Kaffeepflanzen wann macht in einem Buch. Nach wenigen Minuten mit ihm war klar - unsere Naturals sind in guten Händen, mit Sicherheit ist Alexis einer der Topleute, aber sein Know-How in der Produktion mit Naturals ist einfach grossartig. Seine Farm liegt auf ca. 1700 m und ist seit mehreren Generationen in Familienhand. Monokultur oder kurzfristiges Wirtschaften - Fehlanzeige.
Cristian und Cristobal bewirtschaften gemeinsam ihre Farmen. Beide Farmen sind nur sehr klein und der Ausfall durch Kaffeerost enorm, dank Viehzucht und viel Galgenhumor und unkonventionellen Verarbeitungswegen gelingt es ihnen jedoch gute Ergebnisse zu erzielen. Cristians Spruch: "Roya ist schön, da sehen die Blätter so hübsch aus." möchte ich gerne auf einem T-Shirt. Wohlgemerkt Cristian hat 80-90 % Verlust dieses Jahr, Lachen kann er trotzdem und wie.
An dieser Stelle möchte ich nur erwähnen, Fermentation geht auch in einem Fass und ein Mangobaum kann ein guter Gesellschafter sein. Hört sich durchgeknallt an, aber die Verkoster der COMSA hat die Süsse und Frucht von Cristians und auch Cristobals Kaffees schon häufig vom Hocker gehauen.
Nach insgesamt 7 Farmen kehrten wir kurz vor 8 Uhr abends zurück in die Stadt. Sonia brachte mich und Gerrit zu einem Haus, das Ihr Rodolfo genannt hatte. Ein von aussen schlichtes Stadthaus entpuppte sich innerhalb von Sekunden als echtes Wohnungshighlight. Gerrit und ich wurden nämlich bei einer der einflussreichsten Familien Marcalas zum Abendessen eingeladen.
Rodolfo und viele andere die wir die letzten Tage kennenlernen durften, waren hier um mit uns gemeinsam zu essen und zu feiern.
Es wurde letztendlich gar nicht so spät, aber 10 Uhr war schon vorbei, als wir zum Hotel zurückkehrten. Da in Honduras so einiges anders ist und wir vergessen hatten im Hotel Bescheid zu sagen, mußten Gerrit und ich am Tor rütteln wie wild und rufen: H-E-L-L-O!
Bevor wütende Nachbarn kamen und ca. 5 Minuten nachdem wie angefangen hatten rumzuschreien, kam der zuständige Mitarbeiter des Hotels und öffnete die schwere Kette des Tors für uns und wir konnten in unsere Betten fallen, verdauen und schlafen.