Peru 2024


Donnerstag (30.05.2024)

Heute waren wir wieder für einen Besuch mit Produzent*innen verabredet. Um 07:40 stand das Auto vor dem Hotel. Unser Fahrer heute ist ist José Luiz, der Gerente de Finanzas. Außerdem waren noch unsere treuen Begleiter Enrique und Kerem dabei, sie sind bei CENFROCAFE für die Vermarktung von speziellen Lots und das Marketing zuständig. Normalerweise ist Deuder der Fahrer, dieser hatte aber vor einer Woche ein Unfall und muss noch für eine Weile einen Gips tragen. Die meisten Unfällen in Peru passieren beim Motorradfahren oder Fußballspielen. Zum Glück passierte Deuders Unfall beim Fußball. Uns wurde gesagt, dass er eigentlich allein gespielt habe…

Das Ziel heute wäre eigentlich nicht allzu weit entfernt, Huabal solle etwa in 1,5 Stunden Fahrt erreichbar sein. José Luiz verbringt aber seine Arbeitszeit größtenteils im Büro und kannte die Bergwege daher nicht so gut. Man muss dazu sagen, dass es eine große Herausforderung ist, hier in den Bergen zu fahren. Denn es gibt keine Karten, keine Straßennamen, manchmal, wenn man Glück hat, ab und zu den Namen der Gemeinden, durch die man fährt.

Bei zwei Gelegenheiten verfuhren wir uns. Dann gibt es keine andere Möglichkeit als weiterzufahren, bis man eine Person auf dem Weg findet, die man nach dem richtigen Weg fragen kann. Die Stimmung im Auto war aber sehr gut und wir haben den schönen Weg auf den Berg sehr genossen.

Nach fast 2,5 Stunden kamen wir dann in der kleiner Gemeinde El corazon de Jesús im Distrikt Huabal an. Dort trafen wir uns mit Santiago Altamirano. Er begrüßte uns und führte uns zu Fuß zu seiner Parzelle, die auf 1850m Höhe liegt.

Santiago strahlt sehr viel Kraft und Energie aus, wenn er über seine Felder läuft und über die Pflanzen erzählt, sodass ich sehr überrascht war zu erfahren, dass er 59 Jahre alt ist. Er sieht aus wie, wenn überhaupt, Anfang 50. Es war sehr schön die Gelegenheit zu haben ihn kennenzulernen, denn von ihm haben wir letztes Jahr einen Honey-Microlot mit sehr guter Qualität bekommen. Er ist auch Teil des Spezialaufbereitungs-Projektes bei CENFROCAFE.

Normalerweise produzieren die Mitglieder (so wie fast alle Produzent*innen in der Gegend) ausschließlich gewaschenen Kaffee. CENFROCAFE hat aber auch ein spezielles Projekt für die Honey- und Naturalaufbereitung. 2018 wurden dafür von den 2796 Mitglieder 350 ausgewählt, deren Kaffees in den letzten Jahren konstant über 84 Punkte bei den Cuppings lagen. Von den 350 wurde dann nochmals eine separate Gruppe gebildet mit all jenen, die ihren Kaffee auf einer Höhe zwischen 1600 m und 2000 m anbauen und auf mehr als 10qm2 Fläche die Varietäten Bourbon, Caturra, Pache und Typica produzieren. Die Menge für diese Aufbereitungen wird im Voraus von den Käufern bestellt und zentral von der Kooperative übernommen. Die Produzent*innen liefern also nicht den getrockneten Kaffee in Pergamin, sondern die frischen Kirschen direkt am Tag der Ernte. Wenn nötig hilft auch die Kooperative beim Transport.

Santiago achtet sehr viel auf die Homogenität der Maturation der Kirschen um das Beste aus der Produktion rauszuholen. Überreife Kirschen werden für die Honey Aufbereitung nicht verwendet, um Überfermentationsfehler zu vermeiden. Diese Sorgfalt hat bereits gute Ergebnisse erbracht, zum Beispiel mit dem Lot, den wir bei der letzten Ernte kauften.

Auf der Parzelle, die wir besuchten,  war ein Teil seiner roten und gelben Bourbon-Kirschen schon reif. Santiago und Gisselle ernteten zusammen einige der Kirschen. Ziel ist eine experimentelle anaerobische Fermentation 10.000 m über dem Atlantik aufzubereiten. In Gisselles Koffer.Nach dem Besuch führte uns Santiago zurück in die kleine Gemeinde, wo sein Haus ganz oben auf dem Berg liegt.

Seine Familie empfing uns mit einem selbst gemachten Yonke-Kaffee-Milch-Panela-Likör. Yonke ist ein Spirituose aus dem Zuckerrohr, wie eine Cachaça, aber mit 25% Alkohol. Den Yonke hatten wir schon bei unserem Treffen mit der Produzent*innengruppe in la Capilla probiert. Diese  Mischung heute mit Milch, Kaffee und Zucker macht das Ganze noch gefährlicher, denn man merkt gar nicht, wie viel Alkohol im Getränk steckt. Mit leeren Magen wäre der Effekt noch stärker, aber selten besucht man Kaffeeproduzent*innen ohne auch zum Essen eingeladen zu werden. Es gab Reis mit Kartoffeln und Hähnchen von der Finca, frittierten Teig mit Miel de Caña (verdünnter Rohrohrzucker) und selbstgemachten Weichkäse. Und sehr guten Kaffee, selbstverständlich.

Nach dem ausgezeichneten Essen gab es eine Führung durch die kleinen aber sehr effizient eingerichteten Trocknungsbetten, die neben dem Haus stehen. Santiago zeigte uns auch sehr stolz eine aus Beton selbst gebaute Anlage für das Waschen seines Kaffees. Diese ist mit einem alten Motor ausgestattet, um das Auswaschen der Mucilage (innere Schicht der Kaffeekirsche) effizienter zu gestalten und mit weniger körperlicher Arbeit. Nach ein wenig mehr von dem Yonke-Getränk verabschiedeten wir uns und gingen wieder bergab zum Auto zurück.

José Luis fuhr mit uns weitere 20 Minuten, bis wir Ulisses Mondragon und seine beiden kleinen Zwillingskinder trafen. Der erste Stopp war bei der Parzelle, nur ein paar Meter entfernt vom Haus, die CENFROCAFE schon mit vielen guten lots versorgt hat, denn er ist schon seit 22 Jahren Mitglied. Er baut hier vor allem die Varietät Marsellesa an und erwartet dieses Jahr eine gute Ernte.  Die Sträucher sind voller Kirschen, die meisten jedoch noch grün, denn für ihn geht es erst ab Juli/August richtig los mit der Ernte.

Zurück beim Haus erwartete uns eine Überraschung: Eine zweite Gruppe von CENFROCAFE war soeben angekommen. Es waren Jaime Cueva (Gerente de Sostenibilidad Productiva y Asociativa), Javier (Gerente General) und Delky (Präsident). Sie waren heute schon sehr früh unterwegs im selben Distrikt, weil sie in Zusammenarbeit mit der Lokalregierung eine Finca errichteten für die Anzucht von Setzlingen für die Mitglieder der Kooperative. Sie werden dort dann 20.000 Setzlinge produzieren können.

Ulisses führte uns alle zu seiner Trocknungsfläche auf dem Dach des Hauses und wir machten ein paar Gruppenfotos mit allen möglichen Konstellationen von Menchen und bestimmt zehn verschiedenen Handys. Die Stimmung war sehr gut und wurde dann noch besser, da im Haus bereits Kaffee und Kuchen auf uns warteten. Wir verbrachten dort noch eine schöne entspannte Zeit am Nachmittag und machten noch einige Fotos zusammen, bis wir uns verabschieden und uns wieder auf den Weg bergab zurück nach Jaén machen mussten. Wir fuhren in zwei Gruppen, wir fuhren gemeinsam mit Delky, Jaime und Javier in einem Auto. Auf dem Weg gab es plötzlich eine Blockade auf der Straße, da ein großer Trekker diese Straße reparierte. Uns wurde gesagt, dass die Sperrung ca. 30 Minuten dauern würde. Also wir stiegen aus. Delky war kaum ausgestiegen, war er schon mitten in den Büschen entlang der Straße und sammelte grüne Brombeeren und einige Blätter. Er ist studierter Agronom und verfügt über große Kenntnisse über Pflanzen, Kräuter und deren Wirkung. Mit den gesammelten Beeren und Blättern wollte er seine Tochter behandeln, die derzeit an einer Erkältung litt. Von der Frau, die die Straßensperrung überwachte, erfuhren wir, dass weiter oben am Hang noch mehr reife Beeren wachsen würden und schon rannte Jaime hinauf, um sie zu pflücken. Es freute mich zu erleben, dass alle trotz der Zwangspause entspannt blieben wir eine schöne und entspannte Zeit gemeinsam verbrachten. Als die Sperrung aufgehoben wurde, fuhren wir weiter bis zu einer kleinen Stadt. Dort erwarteten uns die anderen im zweiten Wagen, die es gerade noch durch die Blockade geschafft hatten. Jemand brachte ein paar Bier und wir genossen den Feierabend auf dem Bürgersteig sitzend.In Peru trinkt man gemeinsam, aber ein bisschen anders, als wie es kennen: Es gibt viele Flaschen aber nur ein Glas. Die erste Person schenkt ein Glas voll und gibt die Flasche weiter. Nachdem das Glas leer ist, wird es dann weitergegeben an die nächste Person und so geht es weiter bis alles weggetrunken ist.  Sehr langsam und entspannt, wie der ganze heutige Tag.

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