Honduras II 2024


Zurück in Honduras

Zurück in Honduras. Seit meiner letzten Reise hierher im Mai sind 5 Monate vergangen. Als ich abgereist bin, war hier alles Trocken und alle haben auf Regen gehofft. Mittlerweile gab es reichlich Regen. Und wie in den Jahren zuvor passt sich die Wahrnehmung an: jetzt hoffen alle wieder, dass zumindest der Starkregen ausbleibt und der Regen nicht zu viel Schaden anrichtet.
Setze im Mai noch die Hitze und kraftvolle Sonne den Pflanzen dramatisch zu und verhinderte die Trockenheit vielerorts das so dringend nach der Ernte benötigte Düngen, so sind es jetzt wieder der Regen und seine Folgen die den Alltag bestimmen.


Einige Fincas waren tage- bzw. wochenweise unerreichbar bzw. nicht passierbar. Dadurch wurde die „limpieza“, dass Säubern der Finca von Unkraut erschwert oder lange verschoben.

 

Ist das Unkraut zu nass und liegt am Boden, dann ist es mit der Machete kaum zu bändigen. Warten die Produzierenden zu lange, dann gehen Nährstoffe an das Unkraut verloren und ggf. wird die Kaffeepflanze von Schlingpflanzen eingeschnürt oder die Blätter der Schlingpflanze nehmen denen der Kaffeepflanze zu viel Licht weg.

 
Heute ist Sonntag, gestern war Zahltag für die Arbeiter auf den Fincas. Jede Woche am Samstag gibt es den hart erarbeiteten Lohn. Auch aus diesem Grund ist es schwierig für alle Beteiligten, wenn die Finca unpassierbar ist bzw. der Regen so stark ist, dass keine Arbeit möglich ist. Je nach Größe der Finca und Möglichkeit des Produzierenden ist eine gewisse Anzahl an Personen ganzjährig mit auf der Finca, um bei der Arbeit zu unterstützen. Fällt die Arbeit aus, dann gibt es auch kein Geld, wobei im Notfall oft trotzdem zumindest ein kleiner Betrag gezahlt wird, damit der Arbeitenden und ihre Familien z.B. Arztrechnungen bezahlen können.
Es ist alles miteinander verbunden und alle tragen letztendlich ihren Teil dazu bei, dass wir und alle Kaffeetrinkenden den täglichen Kaffee genießen können.

 

 

Anreise

Meine Anreise war wie immer lang: erst Amsterdam, dann nach 10 1/2  Stunden Flug Panama. Da ich zuvor sehr eingebunden war, fiel der Schlaf etwas knapp aus. Von daher war ich etwas unaufmerksam beim Verlassen des Flugzeuges und des Flughafens. Erst im Hotel bemerkte ich, dass meine Jacke in der Gepäckablage liegen geblieben ist. Mit meiner Größe von 1,60 m ist der Blick eben manchmal etwas beschränkt.
Nach einigem Hin und Her mit der Airline und dem Flughafen hoffe ich jetzt einfach, dass meine Jacke einen netten neuen Besitzer findet. Das Teil hat mir über 13 Jahre gute Dienste geleistet auf den Kaffeereisen.
Bei der Ankunft in Honduras, war der Zoll so nett und hat mein Schloss für mich an der Reisetasche geöffnet, mit dem verwendeten Bolzenschneider hätte man ein zehnmal größeres Schloss knacken können. Der Schlüssel des Koffers war in meiner Jacke.
Einer der anderen Passagiere hatte sehr zur Freude des Spürhundes frisch gerupfte Hühner in seinem Koffer. Der Mann kam aus Ecuador. Als Zöllner sieht man vermutlich alles.

 

Unterkunft

Angekommen in Marcala konnte ich dank meiner Freunde einen großartigen kleinen Bungalow beziehen. Die Kooperative COMSA hat vor mehreren Jahren eine "Veranstaltungs-Anlage" gekauft, eigentlich eher einen riesigen Bungalow mit mehreren Sälen. Eingebettet in eine schöne und sehr große Gartenlandschaft, auf der auch weitere Bungalows Platz finden.
Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber ich glaube, die Anlage wurde eigens vor vielen Jahren für die Durchführung des Verkostungswettbewerbes „Cup of Excellence“ gebaut.
Ich habe vor Corona hier einmal an einem Cupping mit einer großen koreanischen Delegation an einem teilgenommen.  In jeder Ecke des Saals, am Eingang und draußen Standen Mitglieder einer Brigade vom Militär mit schussbereiten Gewehren herum. Seltsamerweise würde ich das nicht einmal als meine „verrückteste Cupping Teilnahme“ beschreiben.

 


Zurück zum Bungalow, perfekt gelegen, am Ende eines kleinen Weges aus Pflastersteinen, mit Wald im Rücken und einer tollen Aussicht auf zig Bäume und Pflanzen. Solange es hell ist, sind die Vögel die Herren des Gartens, nachts übernehmen die Hunde als Wache das Kommando.
Geweckt werde ich deshalb entweder von Hundegebell oder eifrigen Hähnen.

 

 

 

Exkurs schlechte Unterkünfte auf Kaffeereisen

Kleine Hintergrundinfo, meine bisher negativsten Erfahrung bezüglich einer Unterkunft: das Angebot in Guatemala auf Kaffeesäcken oder auf dem Boden zu schlafen, während nebenan die Verarbeitungsmaschinen laufen und viele Leute arbeiten. Ohne Tür, inmitten von Staub, Lärm etc. Habe ich damals abgelehnt. Stattdessen gab es eine Nacht in einem Stundenhotel mit entsprechender Umgebung und Komfort. Ohne Option darauf die Tür abschließen zu können. Also habe ich den Koffer davorgestellt.
Drittes Highlight bisher – kleines Zimmer in Marcala, in dem unzähligen Ameisen und Kakerlaken herumliefen und das Waschbecken auf "halb acht" hing und die ganze Nacht Wasser lief. Den größten Kakerlaken habe ich Namen gegeben, war damals auch Teil des Reiseberichtes.

 

 

Feiertage

Am Donnerstag war in Honduras Tag des Soldaten zu Ehren des Generals Francisco Morazán Quezada (geboren 1792). Es weckten mich um 4:30 Uhr die Salutschüsse von der hiesigen Garde. Die haben vermutlich sehr früh mit dem Feiern angefangen. Insgesamt gab es diese Woche drei Feiertage. Damit es nicht verwirrend wird, wurde einfach die gesamte Woche als Feiertagswoche deklariert und alle haben frei. Ich wusste dies schon vor meiner Reise, jedoch konnte ich den Reisetermin nicht anders legen und ich konnte mich bisher immer auf alle hier verlassen, dass es trotzdem irgendwie läuft.

So war es auch dieses Mal: Am Donnerstag habe ich eine Familie mit vier erwachsenen Söhnen getroffen, bei denen ich hoffe, dass wir in Zukunft zusammen arbeiten können.
In einer Zeit in der viele Jugendliche oder junge Erwachsene nichts mehr mit der Arbeit auf einer Kaffeefinca zu tun haben wollen, ist eine Familie mit langer Kaffeetradition und vier von vier Söhnen, die sich für Kaffee entschieden haben, eine echte Rarität.
Im Mai hatte ich dank einer jungen Produzentin unseres Natural-Projektes mit COMSA (APROCOMSA) einen der Brüder kennengelernt: Noe Molina hatte mir bei einem gemeinsamen Abendessen von seiner Finca, seinen Brüdern und seinem Vater erzählt. Viele Produzenten schreiben oder rufen an, um in Kontakt mit Quijote zu kommen, bzw. wenn ich vor Ort bin versuchen ins Gespräch zu kommen.
Honduras ist zwar seit vielen Jahren eines unserer wichtigsten Kaffeeländer, aber wir sind aufgrund unserer Kapazitäten limitiert und wir möchten auch die Produzenten, die uns seit vielen Jahren immer wieder zeigen was „amor por el café“ (Liebe zum Kaffee) heißt nicht im Stich lassen.
Beim Natural-Projekt teilen wir alle Informationen, die uns zur Verfügung stehen mit COMSA. Dank der Dokumentation der 10 Produzierenden des Projektes während der Aufbereitung (Trocknung der Kaffeekirschen), konnten wir zahlreiche Informationen sammeln.
Dadurch konnten und können wir die Techniker von COMSA ein wenig dabei unterstützen, das Aufbereitungsrisiko für andere Produzierenden zu minimieren.
Traditionell wurde und wird Natural Kaffee (Kaffeebohnen, die in der Frucht der Kaffeekirsche getrocknet werden) in Honduras als Restekaffee oder als „Ausschuss“ für den eigenen Konsum oft lieblos verarbeitet: ohne Selektion, oder Rücksicht auf Verunreinigung oder Sorgfalt und auf der Erde getrocknet. Dieses Resultat wird hier als „Guacuco“ bezeichnet. Dieses Produkt hat mit den Spitzen-Naturals, die wir bekommen, rein gar nichts mehr zu tun.

 

 

Honey

Beim Honey (Kaffeebohnen werden mit teilweise anhaftendem Fruchtfleisch getrocknet) ist es ähnlich. Am Anfang waren wir im engen Austausch mit den Technikern von COMSA. Seit einigen Jahren haben wir eine kleine Gruppe von 6 Produzierenden, die Jahr für Jahr sehr gute Qualitäten produzieren. Sodass wir unseren „Hanni“ rösten können und unsere Espresso-Blends spannender machen.
Da die Ernte hier normalerweise im Mai beendet ist, können wir so ein halbes Jahr Kaffees aus Honduras nutzen und ab Winter bekommen wir frische Kaffees aus Brasilien. Die Honeys aus Honduras sind den Naturals aus dem vielleicht traditionellsten Kaffeeanbauland Brasilien viel ähnlicher, als es die Naturals von hier aus Honduras sind. Die honduranischen Naturals aus Marcala, haben ein hohes Potenzial für sehr fruchtige und komplexe Kaffees. Allerdings ist Honduras aufgrund seiner Kaffeeanbauflächen mit der gebirgigen Topographie, oft mit viel Waldfläche und den Folgen des Klimawandels anderen Risiken ausgesetzt als die Anbaugebiete in Brasilien.

 

 

Neue Strukturen der COMSA

Bevor ich zurück zu Noe und seiner Familie komme, noch zwei Erläuterungen:COMSA ist aktuell die Exportfirma und APROCOMSA die Kooperative der Kaffeeproduzierenden.Diese Trennung gibt es seit neun Monaten. Anlass dafür waren ökonomische und fiskalisch relevante Gründe.Im Zuge dessen mussten unzählige Papiere erstellt und Strukturen neu aufgebaut und ausgebaut werden. Der Prozess dauert an, vermutlich wird er nie enden und sich hoffentlich immer weiterentwickeln. Ziel ist es, vereint mit voller Kraft die Herausforderungen der Branche zu meistern und wie ein Leuchtturm ein helles Licht sein, standhaft – Ziel und Orientierung für viele. In Honduras ist der Großteil der Produzierenden (über 85 %) unorganisiert und damit dem harten Markt eines ohnehin schon schwer belasteten Kolonialproduktes ausgeliefert.

Zurück zu Noe und seiner Familie

Die Begegnung war besonders, wie so viele zuvor. Noe konnte leider nicht dabei sein, aber seine Frau, einer seiner Brüder und sein Vater. Die vier Brüder und der Vater haben insgesamt 6 Fincas. Fünf davon sind ca. drei Manzanas (ca. 2 ha) groß, eine hat beeindruckend 30 Manzanas. Jede der Fincas ist und für sich besonders. Die Finca von Noe war für mich einzigartig. Noch nie habe ich so eine Finca gesehen, weder hier noch in einem anderen Land. Drei kleine Lagunen mit Fischen und blühenden Seerosen, unzählige Blumen, Gras-Pflanzen, Obstbäume, Schattenbäum, Kräuter und Nutzpflanzen (z.B. Kardamom) und unzählige „Dinge“ mehr.
Die Anzahl an Schmetterlingen und Vögeln würde vermutlich Ornithologen und Lepidopterologen den Atem rauben und ihre Herzen heftiger schlagen lassen. Ohne diese fachlichen Hintergründe konnte ich nur staunen und ab und zu mich wiederholen: „incredible“ (

 


Zwischen all diesem Grün und den bunten Tupfern gibt es zahlreiche Bereiche für die Kaffeepflanzen. Einer der Brüder hat seiner Kaffeepflanzen auf der Finca quadratisch bzw. in Dreiecksform mit Obstbäumen und Gräsern „abgesteckt“.
Nach dem Besuch hat mir Noe folgendes per WhatsApp geschrieben: „Dieser Ort ist mein Lieblingsplatz, er gibt mir Frieden und Ruhe. Ich stelle mir vor, ich lebe in der Wasserquelle, die Lagunen sind mit Wasserpflanzen bedeckt, überall ist Leben: Fische, Schnecken, Pflanzen, Obstbäume und Blumen.“

 


Abgesehen von dieser tiefen Verbundenheit mit der Natur, sind sowohl Noe als auch die Brüder, der Vater und auch seine Frau in das Produkt Kaffee verliebt. Und sie sehen für sich eine Zukunft darin und auch eine Chance für die Gemeinschaft: Die Fincas sind konstante Erwerbsgrundlage für viele Arbeitende. Da die Fincas zentral gelegen und eben sind und die Bezahlung gut ist, gibt es im Gegensatz zu vielen anderen Gegenden keinen Mangel an Helfenden. Viele arbeiten schon seit Jahren mit der Familie zusammen.
Ich habe zwei Kaffeemuster mitbekommen, einen gewaschenen Kaffee in Pergamin (Silberhäutchen) der fast weiß ist. Das spricht für eine exzellente Trocknung.  Und ein kleines Naturalmuster für zu Hause. Dieses Muster sind 200 g Kaffee von einem Experiment von zwei Sack, was die Brüder gemeinsam für ihren eigenen Genuss aufbereitet haben.

 

EUDR

Das zentrale Thema meiner Reise ist, wie überall in der Kaffeebranche gerade die EUDR. Seit Monaten beschäftigt es in unserer Branche (Kaffee-Import / Röstereien / Handel / Anbau) alle. Aktuell soll die im vergangenen Juni beschlossene Verordnung der EU zur Entwaldung ab dem 1. Januar 2025.Die Absicht Wald zu schützen, um dadurch den Klimawandel zu verlangsamen bzw. im besten Fall dessen Konsequenzen zu mildern, teilen mit Sicherheit die meisten Akteure. Gleichzeitig fehlen bis zum heutigen Tag zahlreiche, elementar wichtige Informationen für die betroffenen Markteilnehmenden, was und wie etwas zu tun ist.Prozesse dagegen laufen, das für die Kontrolle zuständige Ministerium (BLE), Verbände, Lobbyisten, kleine, große Firmen versuchen händeringend die Verordnung doch noch zu stoppen bzw. die Übergangsfrist zu verlängern, Inhalte zu verändern und / oder sich irgendwie auf „alles und nichts“ vorzubereiten. Quijote hat in den letzten Monaten 15.000 Euro direkt investiert zur Unterstützung bzw. Nutzung von Tools und hunderte Arbeitsstunden in Telefonkonferenzen bzw. mit der Recherche und Kommunikation verbracht.Am Montag bevor ich meine Reise begonnen habe, dem 01. Oktober 2024 gab es plötzlich einen Eilantrag der EU-Kommission die Verordnung zu verschieben. Das war nur 3 Tage nach einem 3-stündigen, großen Online-Meeting an dem zeitweise über 350 Teilnehmer beteiligt waren, bei dem am Ende keine Klarheit herrschte, nur Ratlosigkeit und Hoffnung auf Intervention seitens Brüssel. Dem Antrag auf Verschiebung der EUDR der Kommission müssen aber erst EU-Parlament und Rat zustimmen.Wann das in Brüssel zur Abstimmung oder Entscheidung kommt, ist aktuell unbekannt. Von daher ist die ohnehin schon vage Informationslage nun noch unklarer. Kein schönes Gefühl. Bei entsprechenden Anforderungen, die einen Bezug zur Realität haben und konkreten Vorgaben kann man sich vorbereiten. So nicht.Informationen zu den Produzierenden und den Fincas sind für uns kein Problem. Dass bekommen wir hin. Was genau und wie dokumentiert werden muss bei der Verarbeitung wird schon schwieriger, spätestens bei den zu prüfenden Gesetzesanforderungen in den Produktionsländern und die Sicherstellung der Legalität nach jeweiligen nationalen Gesetzen ist Schluss. Zumal bisher die dafür so dringend benötigte geforderte Informationstiefe fehlt, die eng an die jeweilige Einstufung für das Risiko an das jeweilige Land geknüpft ist. Diese so wichtige Einordnung fehlt bisher komplett. Und wir haben Oktober 2024. Die Ernte in Honduras beginnt vermutlich Anfang November.Der Mix an damit verbundenen Gefühlen ist bei allen Beteiligten vermutlich vielfältig und je nach Tagesform gravierend. Hat ein Kaffeeproduzent keinen Zugang zum Markt ist die Existenz bedroht, auch wenn bei vielen so oder so Kaffee alleine schon lange nicht mehr ausreicht für den das Bestreiten des Lebensunterhaltes.

 

 

 

                                                                                                           

 

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