Der Fokus des heutigen Tages lag zunächst auf dem Besuch der Tribal Community. Hierbei handelt es sich um eine Bevölkerungsgruppe, die ursprünglich in größeren Familienverbänden jahrhundertelang
als Beduin*innen in den Wäldern umherzog und nun vor einigen Jahrzehnten sesshaft geworden ist.
Vor knapp 15 Jahren hat die indische Regierung Förderprogramme zur Unterstützung aufgelegt und u.a. den Bau von Häusern finanziell unterstützt. Die weitreichendste Maßnahme war allerdings die
Überschreibung von Grundstücken im Wald, die fortan landwirtschaftlich bewirtschaftet werden durften und sollten.
Ein Teil dieser Familien ist nun seit knapp 4 Jahren Mitglied bei Organic Wayanad und hat gerade nach drei Jahren Transitzeit das erste Mal Kaffee bei Vanamoolika eingebracht. Die Tribals haben
traditionell nie Landwirtschaft betrieben. Daher besteht hier viel Nachholbedarf und seitens Organic Wayanad ein besonders hoher Schulungs- und Betreuungsaufwand.
Die Grundstücke der Tribal Community liegen alle im Wald und unterscheiden sich aufgrund ihres Bodens und der Schattenbäume deutlich von den Farmern der anderen Produzent*innen bei Organic
Wayanad. Das hat auch Einfluss auf die Charakteristik der eingebrachten Kaffees. Es gibt es daher Bestrebungen, die Kaffees der Tribals separat zu verarbeiten und zu vermarkten. Erste Versuche
dazu waren bereits sehr vielversprechend, das ganze könnte daher evtl. auch für Quijote Kaffee ein spannendes Projekt sein.
Unser erster Besuch führte uns zu Appy Bolan (siehe Bild ganz oben). Er ist so etwas wie das Familienoberhaut und Vordenker der Community. Sein Grundstück ist knapp 2 acres groß und rundherum mit einem netzartigen Zaun umfriedet. Das ist notwendig, um die von ihm neu gepflanzten Kaffeebäume vor Verbiss durch Hirsche zu schützen. Das funktioniert aber nun in Gegenden oder bei Farmer*innen, die nicht oder nur sehr wenig von nächtlichen Elefantenbesuchen betroffen sind. Die Dickhäuter haben zwar kein Interesse an Kaffeepflanzen, walzen auf der Suche nach Futter aber alles platt, was ihnen in die Quere kommt. Das ist besonders dann der Fall, wenn Bäuer*innen Jackfruitbäume auf ihren Farmen haben. Elefanten lieben Jackfruit und da ist so ein kleiner Zaun kein Hindernis.
Organic Wayanad unterstützt die Farmer*innen, indem sie Setzlinge zu sehr günstigen Preisen abgeben. Appy Bolan hat damit Lücken und freie Flächen nachverdichtet und somit den potenziellen Ertrag erhöht. Auch ansonsten machte die Farm einen sehr gepflegten Eindruck, war sehr aufgeräumt und alle Kaffeebäume waren nach der Ernte bereits zurückgeschnitten.
Danach besuchten wir noch drei weitere Mitglieder der Tribal Community, ehe es zum Lunch wieder zurück zu Vanamoolika ging.
Dort war inzwischen Anith eingetroffen. Er lebt seit knapp 20 Jahren in London, kommt aber ursprünglich aus Kerala und unterstützt Vanamoolika bei Organisation und Kommunikationsdingen. In der Regel plane ich meine Reisen nach Indien immer so, dass wir zumindest ein oder zwei gemeinsame Tage zusammen dort verbringen. Er ist Malayallam Muttersprachler und kann immer dann einspringen und helfen, wenn ich mit Englisch nicht mehr weiter komme. Malayallam ist eine der 22 offiziellen Amtssprachen, die es in Indien laut Verfassung gibt. Sie wird aber nur in Kerala gesprochen. Im benachbarten und nur ein paar Kilometer entfernten Bundesstaat Karnataka ist hingegen Kannada die Verkehrssprache. Das in Deutschland häufig als „Indisch“ fehlinterpretierte Hindi wird vor allem im Norden Indiens gesprochen.
Nach dem Lunch setzten ich mich dann mit Anith, George und Chackochan zusammen, um u.a. die Ergebnisse der aktuellen Ernte, die neuen Verarbeitungsprozesse und ein paar weitere Dinge zu besprechen. Auch wenn solche Meetings bei Temperaturen über 30 Grad recht anstrengend werden können, sind sie immer noch sehr viel effektiver als sämtliche E-Mails oder Videocalls. Der direkte Austausch und der persönliche Kontakt machen unsere Ursprungsreisen auch aus diesem Grund unverzichtbar.
Abends fuhren wir dann noch ins knapp eine Stunde entfernte Kalpetta, um uns mit Paul zu treffen. Paul hat dort ein etabliertes Accountant Büro und ist der Finanzbuchhalter von Organic Waanad und Vanamoolika. Er war 2020 zusammen mit Chackochan auf Deutschlandreise und auch bei Quijote zu Gast. Entsprechend groß war die Wiedersehensfreude und nach ein paar fachlichen Dingen gingen wir relativ schnell zum gemütlichen Teil des Abend sin Form von Hauswein und erfrischendem Kingfisher über.
Auf der Rückfahrt zu Vanamoolika passierte ES dann. Ich fahre nun seit 2017 einmal im Jahr hierher und habe in all diesen Jahren noch nicht einen einzigen Elefanten gesehen. Das Ganze hatte sich im Laufe der Zeit bei Vanamoolika schon langsam zu einem Running Gag entwickelt. Wenn wir unterwegs waren, hielten schon immer alle zusammen mit mir Ausschau - bisher aber immer vergebens. Und nun stand das Tier im Dunkeln plötzlich in einer Kurve halb auf der Fahrbahn. Wow! Mehr als ein schnelles Foto mit dem Handy war zwar nicht möglich, aber dennoch war die Freude bei allen im Auto groß. Der „Elefantenfluch“ war gebrochen!
(auf dem Bild leider nur sehr schwer zu erkennen: Ein Elefant in der Nacht)