Es ist sehr spannend für mich nach so vielen Jahren in Ecuador nun eine sehr gute Genoss*innenschaft zu besuchen, die ich schon lange kenne und schätze, mit der wir aber erst dieses Jahr einen Importvertrag gemacht haben. PROCAFEQ ist ebenso wie die ACRIM und die APECAP Teil der Föderation FAPECAFES. PROCAFEQ liegt aber im Gegensatz zu den beiden anderen Genoss*innenschaften auf der westlichen Seite der Anden. Luftlinie nur 20 km entfernt (mit dem Auto 4 ½ Stunden), aber eine andere Welt. Während es in den östlichen Tälern sehr viel regnet, regnet es hier fast gar nicht. Und das ist der Landschaft auch deutlich anzusehen. Vom Grün fuhren wir gestern ins Geld-Braun-Grau.
Das Dorf Quilanga, in dem die Genoss*innenschaft den zentralen Sitz hat, ist mein bisheriges Lieblingsdorf hier in Ecuador. So ruhig und friedlich, alle kennen sich, alle sitzen nachmittags ab 4 Uhr in den Säulengängen vor ihren Häusern in Hängematten und unterhalten sich, niemand schließt die Türen ab. Ein echter Gegensatz zu anderen Gegenden.
Die Umgebung ist so trocken und teilweise kahl, dass ich mir gar nicht vorstellen konnte, dass und vor allem wo hier Kaffee angebaut wird. Und damit kommen wir zu einem Kern der Besonderheiten des Kaffeeanbaus hier bei PROCAFEQ. Man sieht die Kaffeefelder wirklich nicht. Das liegt daran, dass hier zunächst Wald gepflanzt werden muss, bevor Kaffee gepflanzt werden kann. Die Sonne wäre zu stark, die Verdunstung und die Temperaturen zu hoch, der Schatten zu wenig, die Reifung zu schnell. Also wird Wald gepflanzt um Kaffee pflanzen und anbauen zu können. Das ist hoch erfeutlich, denn Kaffee ist somit die einzige Kulturpflanze bzw. das einzige landwirtschaftliche Produkt, das hier zu Aufforstung führt.
Davon konnten wir uns heute bei zwei Basisgruppen der Genoss*innenschaft ein Bild machen. Wir fuhren zunächst mit Ramiro, den Cupper, Agronom, Techniker und eigentlich alles, sowie dem Geschäftsführer der Genoss*innenschaft zur Basisgruppe im eine Stunde südlich gelegenen Dorf Espindola. Dort wurden wir sehr herzlich von fast 20 Mitglieden begrüßt. Nach einer Versammlung und dem gegenseitigen Vorstellen besuchten wir zwei Cafetales. Der Kaffee wird hier tatsächlich unter nahezu 100 % Schatten angebaut. Es geht gar nicht anders. Ein völlig anderes Bild als im Tal 20 km weiter östlich bei APECAP und ACRIM, wo noch bis vor 10 Jahren massiv Wald gerodet wurde, um Kaffee anzubauen. Die zukünftigen Anforderungen der EU an entwaldungsfreie landwirtschaftliche Produktion wird der Kaffee hier in der Praxis jedenfalls mehr als erfüllen können. Die Frage ist, wie überall, ob die damit einhergehenden bürokratischen Hürden bewältigt werden können. Die allgemeine Auffassung der neuen Gesetzgebung ist auch hier völliges Unverständnis bis hin zur Interpretation der EU Politik als neokoloniale Frechheit.
Wir fuhren ein weitere Stunde nach Nordwesten und besuchten die Regionalgruppe Calva in der Nähe der Stadt Cariamanga. In dieser, nur 16 Mitglieder starken, Gruppe wurde ich so positiv überrascht
wie fast nie zuvor in meinem Kaffeeleben. Wir besuchten die Finca vom Präsidenten der PROCAFEQ, Angel Polivio. Es waren alle Mitglieder der Regionalgruppe hier. Vom gut ausgebildeten 28-jährigen
Studenten bis hin zum unfassbar rüstigen 90-Jährigen Bauern. Die Vielfalt der Mitglieder hier ist besonders. Noch besonderer aber der Zusammenhalt und die Loyalität der Gruppe gegenüber der
Genoss*innenschaft. Die Gruppe Calva war letztes Jahr die einzige Basisgruppe der gesamten FAPECAFES Föderation, die 100 % ihrer gemachten Mengenzusagen erfüllt hat. Und dieser Zusammenhalt ist
hier sehr stark zu spüren. Sie arbeiten zusammen wie ein Kollektiv, obwohl sie alle aus unterschiedlichen Familien, Schichten und gesellschaftlichen Hintergründen kommen und bis zu einer Stunde
Autofahrt auseinander leben. Die Düngemittel- und Pflanzenschutzproduktion passieren gemeinsam, sie teilen sich Geräte, Maschinen und Werkzeuge. Sie treffen sich jede Woche.
Während unseres Besuches waren alle höchst interessiert und unterhielten sich auch persönlich sehr offen und angeregt mit uns. Eine große Freude war das.
Abends fuhren wir wieder zurück nach Quilanga und unterhielten uns noch lange mit Ramiro und Luis Eduardo, dem Geschäftsführer von FAPECAFES. Beide leben hier, kein Wunder, es ist sehr schön.