Die Reisen nach Ecuador bewirken bei mir schon seit einigen Jahren nicht nur Vorfreude, sondern stehen mir auch immer echt bevor. Die langen Flüge sind nicht nur ökologisch eine Zumutung, sondern für mich alten Pingoin auch sehr anstrengend. Unsere mittlerweile 7 Partnerkooperativen hier in Ecuador liegen außerdem sehr weit auseinander. Die fast drei Jahre ohne Reisen während der Pandemie, haben uns aber deutlich vor Augen geführt, dass unser Ideal der Zusammenarbeit im direkten Handel nicht alleine mit Bildtelefonie und Mailaustausch funktioniert. Wir bekamen einfach nicht genug mit, vor allem nicht die Zwischentöne, die wir nur zu hören in der Lage sind, wenn wir mit langjährigen Freund*innen in Ruhe und mit Zeit an einem Tisch sitzen und uns austauschen. Und nur so entsteht mit den Jahren ein Vertrauensverhältnis das die Basis für eine gute Zusammenarbeit ist. Möglichst auf Augenhöhe und in die Zukunft gerichtet.
So habe ich mich also nach Monaten des Vor-Mir-Herschiebens endlich wieder auf den Weg gemacht. Ziele sind während meines 9-tägigen Aufenthaltes unsere 4 Arabica Partnerkooperativen APECAP, ACRIM, PROCAFEQ und PROCAM. Die beiden letztgenannten Kooperativen und ihre gute Arbeit kenne ich schon lange, wir haben uns aber erst dieses Jahr in Absprache mit den Verband FAPECAFES und seinen 4 Basiskooperativen dafür entschieden unsere großen Mengen gewaschenen Arabica in Top Qualität von allen Kooperativen gleichberechtigt zu beziehen. Also bedeutet das noch mehr Strecken, die wir hier zurücklegen müssen.
Begleitet werden ich auf meiner Reise, wie schon bei meiner vorletzten Reise im Jahr 2022 von Kollegen unserer befreundeten Rösterei Avenir aus Lüneburg. Max war letztes Jahr schon dabei, Timo das erste Mal. Zudem ist unbedingt zu erwähnen, dass unsere Reise wieder einmal mein miserables Timing betreffend Ursprungsreisen bestätigte. Seit 2018 eskaliert hier in Ecuador die Gewalt einiger großer Verbrecherbanden mit jeweils einigen tausend Mitgliedern. Diese Banden sind hier im Land die Statthalter zweier mexikanischer Kartelle. Dem Sinaloa Kartell und dem Kartell Jalisco Nueva Generation. Ecuador mit seinen guten Pazifik-Häfen und seiner überbordenden Korruption in Politik und Verwaltung wird von diesen Organisationen als Exportland für riesigen Mengen Kokain nach Europa und nach Nordamerika genutzt. Durch den Krieg zwischen den Banden hat sich die in Teilen des Landes allgegenwärtige Gewalt in den letzten 6 Jahren auf eine unvorstellbare Weise entwickelt.
Also gab es auch in dieser Beziehung keine Vorfreunde, sondern eher Anspannung vor der Reise.
Unsere Flüge sollten uns in nur 17 Stunden von Hamburg über Frankfurt und Bogotá nach Guayaquil (einer der Hotspots der Gewalt) bringen. Dort wollten wir neben dem Flughafen in einer Pension schlafen und schnell mit einem Mietwagen in die Berge des Südens, zur APECAP nach Catamayo fliegen. Aber denkste.
Die Fahrt mit der Bahn von meinem Dorf zum Flughafen verlief ohne Probleme. Dort traf ich auf Max und Timo. Der Flug nach Frankfurt aber verspätete sich (ohne dass Lufthansa uns informierte)
immer weiter um 15 Minuten, bis wir dann schließlich mit über zwei Stunden Verspätung in Frankfurt landeten. Zunächst hatten wir Glück im Unglück: der Flug nach Bogotá war auch 1 Stunde
verspätet, weil das Personal des Flughafens, das das Gepäck in Flugzeuge verlädt, während eines Gewitters die Arbeit unterbrechen musste und unser Anschlussflugzeug daher noch nicht einparken
konnte. Dann aber klemmte die Tür unseres Flugzeuges und wir konnten nicht einsteigen. Also gab es weitere zwei Stunden Verspätung.
Der Flug nach Bogotá war für uns drei sehr schön, wir bekamen ein gratis Upgrade auf Premium-Economy und konnten unsere Beine ausstrecken.
Nach 11 Stunden Flug in Bogotá angekommen, sahen wir unseren Anschlussflug nach Guayaquil gerade abheben. Lufthansa hatte für die meisten Passagiere schon Alternativen gebucht. Für uns aber
nicht. Zunächst bekamen wir auf unsere Nachfrage hin Boardkarten für einen Flug über Lima (geographisch echt nicht sinnvoll) nach Guayaquil am nächsten Tag. Nach drei Stunden Zoll, Migration und
Diskussionen mit Angestellten der Lufthansa bekamen wir Boardkarten für den nächsten morgen per Direktflug und einen Hotelgutschein. Ein Shuttle brachte uns in ein Business-Hotel, dort hatten wir
nun drei Stunden für einen kleinen Snack, Duschen und Ausruhen. Nach diese drei Stunden ging es wieder per Shuttle zu Flughafen. Dort wieder drei Stunden (hier verpflichtend) Migration, Zoll,
Gepäckkontrolle. Der Flug nach Guayaquil verlief dann planmäßig.
In Guayaquil verlief Zoll, Migration und auch die Abholung unseres sehr guten und nagelneuen Mietwagens (Renault Duster, für die fiesen Straßen und Feldwege hier ein sinnvolles Auto) so schnell
und reibungslos wie nie zuvor.
Wir fuhren sofort los. Nur schnell weg von der Küste und dann im Süden in die Berge. Da gibt es noch keine Kartelle und das Leben ist sehr ähnlich wie immer in den letzten 15 Jahren meiner Reisen
hierher. In Guayaquil gab es währenddessen einen versuchten Anschlag mit einem Gastransporter auf eine Polizeiwache. Er missglückte. So aber sieht der Alltag in Ecuador jenseits der noch
friedlichen Kaffeegegenden aus. Unsere Fahrt dauerte ungefähr 8 Stunden, etwas verzögert durch eine Straßensperrung und 50 km Umweg. Im Dorf „Balsas“ aßen wir etwas an einem Straßenstand und
kamen noch vor der Dämmerung in Catamayo an. Da hier gerade für einen Monat die „Reina del Cisne“ zelebriert wird, hatten wir keine Auswahl mehr an Übernachtungsplätzen. Wir nahmen das
allerletzte freie Hotelzimmer in der Stadt, in der 20.000 Menschen leben. Ein Dreibettzimmer direkt an der Hauptstraße im ersten Stock. Wir waren aber so müde, dass wir sehr gut schlafen
konnte.
Morgen um 8:00 Uhr geht es los mit unserem ersten Besuch. Wir treffen uns mit FAPECAFES.